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Zu wenig tiefer Blick in die Seelen

REST DER WELT / ZÜRICH / IDOMENEO

13/02/18 Regisseurin Jetske Mijnssen will sich in Mozarts Schwellenoper „Idomeneo“ auf das von Schmerz und Trauer erfüllte Innere der Protagonisten konzentrieren und reüssiert teilweise. Ein Hörerlebnis bietet aber das Orchestra La Scintilla unter Giovanni Antonini.

Von Oliver Schneider

Die zuletzt in Graz für ihre Neuproduktion von Tschaikowskis „Eugen Onegin“ gefeierte Jetske Mijnssen lässt die fünf Protagonisten des „Idomeneo“ die Reisen in ihre Seelen in einem grau-blauen, geschlossenen Einheitsraum in modernen mausgrauen Anzügen und anderer Alltagskleidung spielen (Bühne: Gideon Davey, Kostüme: Dieuweke van Reij). Nur zweimal öffnet sich der Raum. Und zwar, wenn der Sturm am Ende des zweiten Akts Furcht und Schrecken im Land verbreitet, und am Ende, wenn die Stimme Neptuns als Deus ex machina das Ende der Herrschaft Idomeneos verkündet.

Dass sich „Idomeneo“ problemlos von der mythologischen Folie lösen lässt aufgrund der zeitlosen Gültigkeit der behandelten Themen, erklärt die aus den Niederlanden stammende Regisseurin im Interview im Programmheft, das haben aber auch viele andere Inszenierungen in den letzten Jahrzehnten gezeigt. Vom traumatisierten Idomeneo nach der Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg ist die Rede, von der vom Fluch des Atriden-Geschlechts heimgesuchten Elettra liest man. Für den letzteren findet Mijnssen immerhin Bilder, während Elettra ihre erste Arie im ersten Akt „Tutto nel cor vi sento“ virtuos intoniert. Aber man würde sich vor allem in den ersten beiden Akten, in denen die Personen librettogemäss nur wenig interagieren, wünschen, dass mehr von den Schmerzen, der Trauer und dem Leid der Personen auch sichtbar würde. Oft wird oratoriumsähnlich an der Rampe gesungen, weil den Sängern die Hilfestellung seitens der Regie fehlt.

Joseph Kaiser, der in Zürich sein Rollendebüt als Idomeneo gibt, hebt sich wohltuend von dieser Statik ab, was in seiner feurigen Wiedergabe von „Fuor del mar ho un mar in seno“ seinen Höhepunkt findet. Den inneren Kampf des Menschen, der seinen Sohn für den Frieden in seinem Land opfern soll, weiß Kaiser stimmlich und darstellerisch glaubwürdig wiederzugeben. Die Koloraturen mögen nicht seine größte Stärke sein, dafür kann er – schon in seiner ersten Arie – mit einer Mischung aus guter Fokussierung, gut verblendeten Registern, Festigkeit und Schmelz auf lyrischem Fundament punkten. Kaiser ist nicht nur ein gereifter Sänger, sondern ein lebenserfahrener Singschauspieler, der Idomeneo zu einem Menschen werden lässt.

Im dritten Akt bekommen auch die auf Kreta gefangene trojanische Prinzessin Illia, die Idomeneos Sohn Idamanate liebt, sowie Elettra als Illias Rivalin mehr Profil. Ob das neue Königspaar Kreta mehr Glück bringen wird als Idomeneo, lässt die Regie trotz des jubelnden Schlusschors offen. Das hat uns die Erfahrung bald 240 Jahre später gelehrt. Richtigerweise – wenn auch musikalisch schade – entfällt in Zürich die abschließende Ballettmusik.

Das mehrheitlich junge Ensemble um Joseph Kaiser überzeugt, obwohl instrumentaler geführte Stimmen möglicherweise noch besser mit dem Orchestra La Scintilla harmonieren würden. Anna Stéphanys leicht gaumiger, weich timbrierter Mezzosopran (Idamante) und Hanna-Elisabeth Müllers warme, sensible Tongebung und der glockige Klang ihres Soprans (Illia) passen bestens ins Klangbild und harmonieren im Liebesduett im dritten Akt („S’io non moro a questi accenti“). Die junge chinesische Elettra, Guanqun Yu, zeigt das Bild einer charakterlich vielschichtigeren Figur, als man es sonst gewöhnt ist. Elettras Raserei und Wut basieren nämlich auf dem Leid, das sie in der eigenen Familie erfahren musste und das sie charakterlich verhärtet hat. Sie hat gelernt, dass man sich nur mit Rache wehren kann, obwohl ihr Herz auch andere Wege erlauben würde. Airam Hérnandez besticht mit seinem schmelzreichen, leuchtenden Tenor als Arbace, den Mijnssen als Alter Ego Idomeneos deutet.

Giovanni Antonini führt wie mit der Taschenlampe durch alle Subtilitäten und Nuancen der Partitur, so dass nur schon der Orchesterklang eine spannende Erlebnisreise bietet. Jede Stimme darf ihr Eigenleben führen und ist doch dank Antoninis Hand in ein klares Gesamtbild eingebunden. Sehr genau herausgearbeitet sind die häufigen Tempowechsel als Folge von Gefühlsschwankungen. Und ebenso viel Beachtung hat Antonini in der Vorbereitung den Rezitativen geschenkt. Den Chor des Hauses hat Ernst Raffelsberger vorbereitet.

Aufführungen bis 2. März – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Monika Rittershaus

 

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