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Puccini im Zeit-Trichter

REST DER WELT / MÜNCHEN / IL TRITTICO

20/12/17 Was Giacomo Puccini mit „La fanciulla del West“ eingeleitet hatte, setzte er mit dem 1918 an der New Yorker Met uraufgeführten Triptychon – „Il tabarro“, „Suor Angelica“, „Gianni Schicchi“ – fort: Er wollte die musikalische Sprache erneuern, ohne das Publikum auf dem Weg zu verlieren. Das gelang ihm, indem er zunehmend auf ein rezitativisches Fortspinnen der Handlung ohne große Arien setzte und lyrische Momente für den Schluss aufbewahrte.

Von Oliver Schneider

Lotte de Beer und ihr Regieteam (Konzeptionelle Beratung: Peter te Nuyl, Bühne: Bernhard Hammer, Kostüme: Jorine van Beek, Licht: Alex Brok) setzen eine Klammer über die scheinbar ganz unterschiedlichen Werke, indem sie sie in einem grauen, leider die Spielfläche beengenden Trichter spielen lassen, an dessen Ende man das Licht sieht. Dieser Trichter mischt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und dreht sich jeweils, wenn eine Person stirbt. Es geht dreimal um den Umgang von Menschen mit dem Tod. Puccini und seine Librettisten Giuseppe Adami und Giovacchino Forzano erzählen das jeweils in rund 50 Minuten, wofür andere mehrere Stunden brauchen.

Trauergesellschaften begleiten zweimal verstorbene Kinder auf ihren letzten Gängen: Es handelt sich um Giorgettas und Micheles Kind zu Beginn des „tabarro“ und den Sohn Angelicas, die als Strafe für das uneheliche Kind von ihrer Familie ins Kloster verbannt wurde. Diese zusätzlichen Bilder geben dem Zuschauer den Rahmen der in der Folge geschilderten menschlichen Schicksale. Sie erlauben es auch, die ersten beiden Teile pausenlos hintereinander zu spielen. Dank des Zeit-Trichters sind die Werke in ihrer vom Libretto vorgesehenen Zeit verortet, wie die Kostüme zeigen: zu Beginn des 20. Jahrhunderts („Il tabarro“), am Ende des 18. Jahrhunderts („Suor Angelica“) und um 1300 („Gianni Schicchi“).

De Beer hat die Charaktere der Personen scharf herausgearbeitet und lässt sie realistisch agieren, was den Abend spannend macht. Besonders fesselnd und gleichzeitig berührend gelingt das in „Suor Angelica“: Nach der scheinbar gottgefälligen Schilderung des Klosterlebens – unter der Oberfläche menschelt es hier ganz gewaltig – geht es im zweiten Teil der Kurzoper um den Konflikt zwischen Angelica und ihrer adeligen Tante, die sie unbarmherzig zum Erbverzicht zugunsten ihrer Schwester zwingt. Im irdischen Leben mag Michela Schuster als bigotte Alte den Sieg im handgreiflichen Konflikt davon tragen, menschliche und seelische Größe beweist die optimal phrasierende sowie füllig und leuchtend in der Höhe gestaltende Ermonela Jaho als Angelica, die dank Gift mit ihrem verstorbenen Sohn in einem anderen Leben wieder vereint wird.

In der bitterbösen Komödie „Gianni Schicchi“ zeigen die Verwandten ihre Raffgier, kaum ist der alte Buoso Donati verschieden. Doch der von ihnen zur Hilfe gerufene, schlaue Gianni Schicchi führt sie alle an der Nase herum und sichert sich selbst die Filetstücke der Erbschaft. Ambrogio Maestri gab am Sonntagabend (17.12.) sein Rollendebüt in der erzkomödiantischen Rolle, die für ihn wie maßgeschneidert ist. Aus dem guten Ensemble ragen noch Rosa Feola als seine Tochter Lauretta und der wie immer sehr präsente Pavol Breslik als Rinuccio heraus.

Im eröffnenden „tabarro“, dem schwächsten Teil des Abends, hadert Giorgetta, die Frau des Kahnbesitzers Michele, mit ihrem Schicksal. Die Ehe ist nur noch Schein nach dem Tod ihres Kindes. Giorgetta sehnt sich nach einem Leben in Paris, das ihr vielleicht der Löscher Luigi bieten kann, der ebenso von einer anderen Welt träumt. So gut die Protagonisten auch im „tabarro“ das Spielkonzept umsetzen, stimmlich würde man sich in den Hauptpartien Solisten wünschen, die mit dem italienischen Idiom vertrauter sind als Eva-Maria Westbroek (Giorgetta) und Wolfgang Koch (Michele). Yonghoon Lee mit seinem höhensicheren, metallisch strahlenden Tenor ist hingegen ein überragender Luigi, Claudia Mahnke eine genügsame, lebenserfahrene Frugola.

Dem Wagner-erfahrenen Generalmusikdirektor Kirill Petrenko liegt der rezitativische Stil, der es ihm ermöglicht, das musikalische Geschehen jederzeit kleinteilig zu steuern. Gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern des Bayerischen Staatsorchesters schält er für jeden Teil des Abends den eigenen Klang heraus. Und ähnlich Lotte de Beers Tunnel-Idee, verbinden sich die Detailstudien zu drei Gesamtbögen.

Weitere Vorstellungen bis 1. Jänner sowie am 14. und 16. Juli 2018 im Rahmen der Münchner Opernfestspiele – www.staatsoper.de
Am 23. Dezember überträgt die Bayerische Staatsoper die Produktion um 19 Uhr im Live-Stream – www.staatsoper.tv
Bilder: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl

 

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