Ein Europäer in Weimar
WEIMAR / AUSSTELLUNG „LISZT 2011“
12/10/11 Nach wie vor ist Johann Wolfgang von Goethe der Hauptmagnet von Europas Kulturhauptstadt 2009. Heuer aber hat Weimar ein weiteres Ass im Talon: Nirgendwo sonst weilte und wirkte Franz Liszt so lange und nachhaltig wie im ehemaligen Herzogtum in Thüringen.
Von Horst Reischenböck
Die Ausstellung - Franz Liszt zum anstehenden 200. Geburtstag am 22. Oktober gewidmet - ist auf Schiller Museum und Schlossmuseum verteilt. Natürlich hat Weimar auch sonst viel zu bieten. Neben Goethe und Schiller, Wieland und Herder hinterließen ja auch Johann Sebastian Bach oder Johann Nepomuk Hummel ihre Spuren.
Liszt kam aus der Provinz. Aus Raiding im Burgenland, wohin sein Vater strafversetzt worden war. Als Wunderkind, als zweiter Mozart wurde er gepriesen. Ausgedehnte Konzertreisen führten ihn tatsächlich – von A bis Z alphabetisch aufgelistet von Aachen bis Zwickau – in gezählte 431 Orte Europas!
Dann beschloss er, zur Verwunderung seiner längst einer Lisztomanie verfallenen Fans, ausgerechnet wieder in der Provinz sesshaft zu werden: Als nunmehr Hofkapellmeister in außerordentlichem Dienst von Carl Alexander, den Liszt zu einer Goethe-Stiftung anregen wollte.
Liszt meinte ja, dass er mit seinen Tondichtungen die Poesie von Goethe und Schiller in ein anderes Medium überführt habe: Er empfand sich daher als deren Nachfahre. Diese Kompositionen, nebst zahlreichen anderen, entstanden nahezu ausschließlich in Weimar: in der „Altenburg“. Das ist Liszts Domizil von 1849 bis zu seinem Weggang 1861. Hier ist eine Ausstellung über den Allgemeinen Deutschen Musikverein zu sehen.
Nach dem durch Theaterintendant Dingelstedt angezetteltem Skandal anlässlich der Uraufführung von Peter Cornelius Oper „Der Barbier von Bagdad“ kehrte Franz Liszt Weimar vorerst den Rücken.
Das mit Einrichtung erhalten gebliebene, erst dieses Frühjahr wieder eröffnete Liszt-Haus bewohnte er dann nur mehr in Sommermonaten zwischen 1869 und 1886. Dort nahm er mit seinen Schülern heutige Meisterklassen vorweg. Einiges an dortigen Exponaten übersiedelte heuer kurzfristig in den modernen Anbau des Schiller-Museums. Dort sind über drei Etagen hinweg die Stationen von Liszts Leben als eine Art Pilgerweg inszeniert.
Zahlreiche Dokumente aus dem Bestand des Goethe- und Schiller-Archivs, das rund 14.000 Blatt von Liszts Manuskripten besitzt, sowie aus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die Liszts eigene 3.100 Bücher enthält, ergänzen internationale Leihgaben offizieller wie anonymer Sammlungen.
Die Bandbreite reicht von originalen Porträts der Zeitgenossen über persönliche Gebrauchsgegenstände bis Erstausgaben seiner Werke, Fan-Artikel, „Devotionalien“ und natürlich auch Karikaturen. All das ist verlockt, sich allein schon hier stundenlang zu verlustieren.
Das Schlossmuseum wiederum präsentiert auf einem Stockwerk die technische Entwicklung des Klaviers zur Ära Liszts. Erstmals gezeigt: eigens für die Ausstellung restaurierte Weimarer Instrumente, deren einige auch in Klangbeispielen zu erleben sind. Allerdings nicht mit Musik von Liszt, sondern von Johann Ernst Bach oder Hummel.
Ein Conrad Graf-Flügel ist genauso darunter, wie ein Tafelklavier des Wieners Caspar Katholnig, eines von Clementi oder ein weiteres von Erard. Ein Nachbau, eigens für die Ausstellung: ein Hammerklavier von Liszts Agenten Boisselot, wie Liszt selber eines besaß. Der Komponist und Virtuose besaß selber einige Klavier-Kostbarkeiten. Ihm gehörten damals Beethovens Broadwood-Flügel, einer von Streicher mit sieben Oktaven, ein Bechstein, ein Bösendorfer und ein dreimanualiger „Harmoniumflügel“ von Sébastian Erard.
Schwingungen, die entstehen, wenn Saiten angeschlagen werden, lassen sich übrigens im Schlosshof an Hand der Installation eines überdimensionalen „begehbaren“ Klaviers auch körperlich erspüren.