„Ben Hur der Gegenwart“
HINTERGRUND / LEICA GALERIE / HANNIBAL
19/02/21 Nicht mal als Freilichtaufführung geht heuer aus nahe liegenden Günden etwas auf dem Rettenbach Gletscher in Tirol. Aber immerhin: In der Stadt Salzburg, in der Leica Galerie im Schloss Arenberg, kann man bis 25. April eine Fotoausstellung über Hubert Lepkas spektakuläre Produktion Hannibal sehen.
Von Reinhard Kriechbaum
Es ist ein Dauerbrenner geworden: „Diesen April wird das Gletscherschauspiel Hannibal zwanzig“, freut sich Hubert Lepka, der so leidenschaftliche wie erfinungsreiche Naturtheater-Maschinist. Aus der Jubiläumsvorstellung am 16. April wird freilich nichts, das 20-Jahre-Jubiläum wird man 2022 nachholen müssen.
„Als wir die Geschichte über den karthagischen Feldherren am 28. April 2001 am Rettenbach Gletscher zum ersten Mal auf der sechs Kubikkilometer großen Naturbühne erzählten, brachten wir 2500 Besucher zum Jubeln“, erinnert sich Hubert Lepka. „Dass es eine Wiederholung geben musste, war rasch klar, aber dass dies zu einer alpinen Tradition führen würde, die im zwanzigsten Jahr bis zu 8000 begeisterte Zuschauer zu einem realen Abenteuer versammeln würde, ist unsere vielleicht schönste Erfolgsgeschichte.“ Diese sei der guten Zusammenarbeit zwischen den Produktionspartnern Sölden, Red Bull und Lawine Torrèn geschuldet.
„Ein Stück zeitgenössischer Performance, das über zwanzig Jahre gespielt wird, ist an sich schon eine Seltenheit. Dass dies ausgerechnet dem Gletscherschauspiel gelingen würde, war mehr als unwahrscheinlich.“ Da kann Hubert Lepka also stolz sein auf eine tatsächlich tragfähige Idee. „Das Vorhaben ist anspruchsvoll, es stellt über fünfhundert engagierte Menschen auf die Beine und in eine schier unvorstellbare Gletscherwelt in gleißendem Theaterlicht“, erklärt Lepka. „In dieser Welt agiert eine Theatermaschine im besten barocken Sinne, und vor allem eine Darstellergruppe, die es so noch nie gab: graziöse Pistenbullys, Tänzer in frostiger Nacht, die mutigsten Paragleiterinnen der Alpen, Flugzeuge der Flying Bulls, ein Heereshelikopter als Adjutant der Titelrolle, Hannibal selbst und sein Gegenspieler Scipio im TV Studio, Motorschlitten und Motocrosser in tragenden Rollen.“
Dies alles könnte heillos in der überwältigenden Naturkulisse untergehen und sich in größter Entfernung in Unkenntlichkeit verlieren. „Doch die Erzählung (Sprecher: Harald Krassnitzer) und die mitreißende Filmmusik bauen ein Drama, das den historischen Stoff der punischen Kriege zu einem einstündigen Abenteuer der Gegenwart verdichtet.“ Hubert Lepka nennt Hannibal eine Art „Ben Hur der Gegenwart“, weil alle Opulenz der Bilder werde ja nicht zuletzt „durch ein komplexes Arrangement von Kameras, TV Studio“ auf eine Videowall gebracht. Das Live-Spektakel hat also auch etwas von Kino.
„Gegen Ende der Saison werden aus den professionellen Schnee-Arbeitern im Ötztal Theaterleute. Da zieht Hannibal nicht mit den historisch verbürgten 37 Elefanten, sondern mit zwei Dutzend Pisten-Planiergeräten bergwärts. Schilehrer stellen die Bodentruppen und eine Red-Bull-Crew von Motocross-Artisten gibt eine eindrucksvolle Kavallerie. Paraglider als Luftwaffe dürfen nicht fehlen.“ Das schrieben wir im DrehPunktKultur, als wir uns Hannibal zum Zehn-Jahre-Jubiläum 2011 angesehen hatten und es ward uns warm im Anorak: „Die minus zehn Grad bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Gletscher steckt man locker weg als ehrlich staunender Zuschauer und Zuhörer: Man wird opulent bedient mit Special Effects.“
„Ich stehe in einer Schneelandschaft auf beinahe dreitausend Metern und erlebe mit Tausenden eine Erzählung, die mir immer wieder unter die Haut geht“, so Hubert Lepka. Seit dem Entstehungsjahr 2001 wurde HANNIBAL insgesamt vor über 50.000 Menschen in über 40 Aufführungen und Generalproben gespielt.
In der Salzburger Leica Galerie im Schloss Arenberg ist gerade eine Fotoausstellung über Hannibal zu sehen. Diese Aufführungen wurden nämlich „von vielen namhaften Fotografinnen und Fotografen porträtiert, dokumentiert und in deren eigenes Portfolio eingeschrieben“, erklärt man dort. So seien diese Aufführungsserien nicht nur dokumentiert worden, es seien Fotoaufnahmen als eigenständige Kunstwerke entstanden.