Ein Ergebnis alpiner Globalisierung?
KAPUZINERKIRCHE / DEBANTER PASSION
30/03/10 Ein überzeugendes Beispiel für lokale Kulturtätigkeit auf sehr hohem Niveau mit überregionalem Potential. Unter "Tauriska"-Patronanz war nun in der Salzburger Kapuzinerkirche die "Debanter Passion" zu hören.Von Erhard Petzel
Debant ist ein Ort nahe Lienz mit einer modernen Kirche. Vor zehn Jahren installierte dort der Tiroler Lois Fasching seine vierzehn massiv mit Kettensäge ins Holz geschnittenen Kreuzwegstationen. Die pensionierte Niedernsiller Volksschullehrerin Barbara Rettenbacher ist davon so beeindruckt, dass sie dazu Texte in Pinzgauer Mundart schreibt. Die wiederum sprechen die in Leogang lebenden Sopranistin Ilse Grießenauer an, sie möchte sie singen. Der in Salzburg lebende Ungar Theodor Burkali komponiert für Harfe und Sopran. Vor zwei Wochen ist die "Debanter Passion" in Kaprun uraufgeführt worden, und nun war sie nach Stationen in Debant und Niedernsill am Montag (29.3.) in der Salzburger Kapuzinerkirche zu hören.
Nun sind Passionen in Mundart gleich einmal der Provinzialität verdächtig. Zu Unrecht, wie dieses Beispiel zeigt, wo bei aller Kleinräumigkeit der Struktur mit ökonomischen Mitteln Bemerkenswertes entsteht. Schon die Kettensägenschnitte sind eigenwillig und beeindruckend, auch die Texte abseits des Klischees, am Klang orientierte, freie moralische Miniaturen jenseits des Heimatsprechs, wenn auch nicht artifiziell verspielt wie die Texte einer Wiener Gruppe. Die Musik hat nichts mit Alpenländischem zu tun. Die Moderne ist sozusagen gemäßigt, minimalistische Elemente durchziehen die freie tonale Struktur. Die einzelnen Stücke geben sich sehr assoziativ an Bild und Text orientiert. Beinahe aus barocker Tradition schöpfend empfindet der Hörer schräge Märsche, Airs, Pastorellen und Pavanen. Sphärisch die sechste Station, Veronika mit ihrem Schweißtuch. Als unendlich süße Passacaglia windet sich in minimalistisch verrückter rhythmischer Verschraubung ein Akkord durch die Landschaft und bietet der Sängerin das Plateau für ihren zarten Trost. In der zwölften Station, „Sterbm“, wird diese Stimmung wiederkehren. Nach der Grablegung leitet die Harfe ins hohe Nichts der Auferstehung, Handflächen-Cluster strukturieren die Bewegung, die in verhaltenen Glissandi in der Höhe verhauchen.
Joseph Grießenauer zeigt und kommentiert zunächst Projektionen des Kreuzweges, sodass das Publikum auf das Geschehen eingestellt ist. Die Bilder begleiten dann den Vortrag von Sopran und Harfe. Bis in die höchsten Höhen rund und klar, die Nuancen einfühlsam und wesentlich ausdrückend, erfüllt Ilse Grießenauer die Klosterkirche mit sicherer Stimme, kongenial begleitet von Christa Maria Lukatsch auf der Harfe.