asdf
 

Gerohrter Schall, Trojahnischer Mozart

DIALOGE / ENSEMBLE MODERN

29/11/12 Zur Eröffnung der „Dialoge“ blies der Stiftung Mozarteum das selbst gewählte Thema „Luft“ als kalter Wind gleich einmal böig ins Gesicht: Die Sopranistin Mojca Erdmann musste aus Gesundheitsgründen absagen.

Von Erhard Petzel

Marisol Montalvo sprang in die Bresche und übernahm zusätzlich zu ihrem Part den Großteil des Programms der Kollegin. Mit dessen geringfügiger Umstellung war der Abend eindrucksvoll gerettet.

Mit großartig runden Bögen öffnete sich Marisol Montalvo bezaubernd in die lichten Höhen von Debussys Liedkunst. „Claire de lune“, „Musique“ und „Paysage sentimental“ litten freilich eher an der von Manfred Trojahn arrangierten Begleitung durch zwölf Bläser. Oboen, Fagotte, Klarinetten und Hörner sind vielleicht doch etwas zu direkt und grob für diese Art von Musik. Abgesehen von der heiklen Intonation befremdete das Klangbild. Mit Leidenschaft suchte die Sängerin in der Mittellage auszugleichen, wogegen die Bläser ihre dominanten Frequenzen setzten.

Aucvh Mozart bekam ein neues Gewand: Sein theatralisches Liebesleid in „Ah! spiegarti, oh Dio, vorrei“ findet hier seine hochexpressive Verkörperung, „Fra cento affanni“ glänzte in perlenden Koloraturen. Großer Zwischenapplaus für die Sängerin, aus Bühnenschmerz erwuchs eindeutig ein Publikumsliebling.

Eine beglückende Symbiose zwischen Sopran und Bläsern gelang Manfred Trojahn, dem Composer in residence bei den „Dialogen“, hingegen mit seinen „Frammenti di Michelangelo“. Textfragmente Michelangelos, auf die der Komponist in einer Münchner Buchhandlung gestoßen ist, werden Grundlage für dramatische Miniaturen, die der Stimme nicht weniger abverlangen als die Lieder und Konzertarien davor.

Die Bläser agieren und reagieren ganz unterschiedlich in allen möglichen Konstellationen und Charakteren. Zum Liebesbrand entbietet das Horn der Sängerin ein Duett, ein Klarinettenduett trägt sie, wenn sie nicht liebt, was sie nicht sieht. Kunst und Leben enden in einem Oboen-Oberton mit ausgiebigem Luftgeräusch, während die Fülle des Orchesters sich in Chorälen wälzt, theatralische Lichtorgien feiert, explodiert oder zusammenbricht. Ein wurlender Kosmos oft skurriler, aber immer angenehm überraschender Einfälle unter dem sicheren Dirigat von Michael Boder.

Nach der Pause bestätigte das Ensemble Modern die Idee Nietzsches zum Wesen des Dionysischen Kults mit Mozarts „Gran Partita“ KV 361. Bläser zieren sich nicht, sie spielen. Zwischen den Sätzen wird schon einmal das Griffloch lautstark ausgepustet, Kunst steht nicht im Widerspruch zum prallen Leben. Wie für Salieri in Amadeus lassen Oboe und Klarinette den Hörer die Stimme Gottes ahnen. Das Ensemble schwelgt agogisch im Puls. Berauschend auch der klangliche Farbreigen und der Effet des virtuosen Spiels.

Schädigt man ein basisdemokratisches Ensemble, wenn man Einzelne hervorhebt? Als Ausgleich statt dessen eine Beschreibung des Endes. Der endlose Applaus befeuerte die Musiker, als Draufgabe noch einmal das fulminante Finale zu steigern. Die Oboe ist jetzt wohl ausgeglüht.

Heute Donnerstag (29.11.) bei den „Dialogen“: ein Streichquartett-Gipfel mit dem Hagen Quartett und dem Minetti Quartett (19.30 Uhr im Großen Saal des Mozarteums). - www.mozarteum.at
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014