Mit Haydn auf Robinsons Insel
CAMERATA SALZBURG / LOUIS LANGRÉE
18/06/12 So oft steht er ja leider noch nicht am Pult der Camerata, das nächste Mal erst wieder in der Mozartwoche 2013. Umso feiner, dass Louis Langrée, Chefdirigent der Camerata, das letzte Abonnement-Doppelkonzert der Saison dirigiert hat.
Von Horst Reischenböck
Es ging dramatisch zu in dem Programm ausschließlich mit Werken von Haydn und Mozart. Haydns Oper „L’isola disabitata“ ist nach dem Brand des Opernhauses und Vernichtung des ganzen Theaterfundus in Eszterháza entstanden – die „wüste Insel“ kam als Stoff gerade recht, weil kaum Dekoration nötig war. Für die Rettung zweier junger schiffbrüchiger Damen lieh sich Librettist Pietro Metastasio Elemente aus Daniel Defoes Roman „Robinson Crusoe“. Entsprechend stellte Haydn eine Ouvertüre mit – nach spannungsgeladener Einleitung – einem groß durchkomponierten, sich aufbäumenden Vivace assai voran, dem Louis Langrées beschwörende Hände immense Sogkraft verliehen.
Eine gute Einstimmung auf das nachfolgende, hochdramatische Mozart-Sixpack, das mit dem in etwa zeitgleich zu Haydns Werk entstandenen Fragment „Zaide“ KV 344 begann. Die Stiftung hätte Jane Archibald schon längst gerne verpflichtet, was der Terminkalender der Kanadierin bislang verhinderte. Nun bewies sie also in dem Camerata-Konzert ihren Ruf als „Koloratursopran unserer Zeit“, indem sie vorerst zart in höchste Höhen hinein „Ruhe sanft“ beschwor, um danach „des Schicksals Tiger“ geradezu in den Saal hinein springen zu lassen.
Von der Ausdrucksintensität ist diese Arie mancher Nummer aus der „Entführung aus dem Serail“ durchaus ebenbürtig. Hier war dankenswerterweise ein direkter Vergleich möglich, und dann dünken doch die Arien der Konstanze weiter ausgesponnen und beispielsweise in der Abmischung der Holzbläser ausgefeilter. Nach „Traurigkeit ward mir zum Lose“ die „Martern“-Arie – da sannen Langrée und seine Musiker instrumentalen Details zu „Lass dich bewegen“ retardierend nach und der Dirigent ließ das Concertino aufblühen. Erfreulich, dass wieder einmal Natalie Chee als Konzertmeisterin die Gruppe anführte. Jane Archibalds stupender vokaler Virtuosität ist nichts zu schwer. Sie hat auch alle Verzierungen in „Des Himmels Segen belohne dich!“ drauf, die üblicherweise zusammengestutzt werden und mutmaßlich erstmals so in Salzburg zu hören waren. Atemberaubend!
Anstelle zweier weiterer ursprünglich angekündigter Arien dirigierte Louis Langrée die letzten beiden Zwischenaktmusiken zu „Thamos, König in Ägypten“ KV 345. Energisch zugespitzt bis in die letzten Fortissimo-Schläge hinein, und von der Dynamik her entsprechend subtil abgestuft seitens der ihm darin im Wortsinn „hörigen“ Mitstreiter auf dem Podium. Und Langrée setzte nach der Pause noch einen weiteren Höhepunkt: Haydns sinfonisches Opus summum in D-Dur Hob. I:104, die so genannte „Salomon-Symphonie“. Zu allen Momenten geradezu akribisch durchgefeilt, vom ersten Nachklingenlassen der Melodiebögen in der Einleitung an, wurden dann durch bewusst verdeutlichte Generalpausen die Gedanken der Vorlage genauso präzise nachvollziehbar gemacht wie die dramatisch sich zuspitzenden Kontraste im Andante ausgespielt. Nach dem furios entsprechend „geistreich“ endenden Finale gab es zu Recht stürmischen Jubel.