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Himmelsstürmerin

FESTIVAL BEGEGNUNG

04/05/12 Sie rollt die Augen, singt und trällert mit dem Orchester und tanzt mit ihrer Geige, barfuß wie immer, stürzt sich schier auf die Musiker, die ihr im Augenblick das Thema zuspielen oder abnehmen, liefert überhaupt eine Performance, die vom Musikalischen stark ins Tänzerisch-Theatrale hinüberschillert – und macht dabei Musik, die an Tiefe ihresgleichen sucht: Patricia Kopatschinskaja war da.

Von Heidemarie Klabacher

Genauer gesagt: Patricia Kopatschinskaja ist da – denn sie geigt morgen Samstag (5.5.) noch einmal auf beim „Festival Begegnung“: beim „Musikalischen Brunch“ mit Benjamin Schmid, Alexander Lonquich und Mitgliedern der Camerata Salzburg.

Hoffentlich haben sich bis dahin alle erholt, die Musiker und die Zuhörer. Denn ein konzentrierteres und gespannteres Zuhören des Publikums ist nicht mehr denkbar – und ein konzentrierteres und gespannteres Mitmusizieren des Orchesters wohl auch kaum: Energie pur hat den Großen Saal des Mozarteums am Donnerstag (3.5.) beim „Festkonzert“ zur Eröffnung des "Festivals Begegnung" erfüllt. Der himmelstürmende Geist des Sturm und Drangs – und die abgründige Radikalität der Romantik.

Sanft perlende, heiter daherkullernde oder wild tosende Klänge: Patrizia Kopatschinskaja rundet jeden einzelnen Ton ihrer Geige zur Vollendung, ob im raschen Lauf, im virtuosen Rankenwerk oder in der groß ausgesungenen Kantilene. Performance – ja auch. Aber wie intensiv die Geigerin sich auf die Musikerinnen und Musiker im Orchester konzentriert, dabei jeden einzelnen zum Kammermusikpartner zu machen scheint, das hat nicht Seinesgleichen.

Gérard Korsten war der richtige Dirigent, auch aus dem Orchester die strahlendsten musikalischen Funken, um nicht zu sagen: Protuberanzen zu schlagen und zugleich die freigesetzten Energien und Strahlungskräfte in feinste präziseste Phrasierung zu kanalisieren.

Wie ein sanft erwachendes Hinübergleiten aus wirr-bewegtem Traum in einen strahlenden Frühlingsmorgen war der Übergang von der Kadenz im ersten Satz ins Tutti. Diese Kadenz (aus der Klavierfassung des Violinkonzerts, für zwei Geigen - und die von Beethoven vorgesehene Pauke -  eingerichtet von Patricia Kopatschinskaja): Beethoven hat hier den Geist seines Konzerts auf seine Quintessenz destilliert: in teils bizarren, für Augenblicke manchmal fast „zeitgenössisch“ anmutenden, und dann wieder wundersam berührenden Klängen.

Es sei ein Vergnügen, wenn auch nicht immer leicht, sie zu begleiten, hat der Kontrabassist Sepp Radauer jüngst bei einem Pressegespräch über die Arbeit mit Patricia Kopatschinskaja gesagt, weil sie so spontan und unvorhersehbar musiziere, gerade diese Spontaneität aber unbekannte Tiefen bekanntester Werke erschließe.

Genau so war es denn auch bei der Begegnung mit Beethovens Violinkonzert D-Dur op. 61 in der Lesart des Moldawischen Temperamentsbündels. Nicht eine Sekunde konnte/wollte man sich da zurücklehnen und in den bekannt-himmlischen Klängen schwelgen: Jede Wendung, sei es in den Solopassagen, sei es im Orchesterpart – denn Solistin und Dirigent waren ganz eines Sinnes – brachte eine neue Überraschung, eine so noch nicht gehörte Phrasierung, einen ebenso „unerhörten Klang“: Schroffe Felsgründe, wie man sie in diesem Werk nicht vermutet hätte, dräuten da, seine lieblichen Seiten rührten zu Tränen, seine temperamentvollen rissen vom Hocker.

Das Festival Begegnung 2012 steht im Zeichen des sechzigsten Geburtstags der Camerata und des hundertsten Geburtstags von Sandór Végh. Natürlich stand nicht nur Beethoven auf dem Programm. Shane Woodborne, Komponist und seit 24 Jahren Cellist der Camerata, hat mit dem Stück „Melos“ eine feierlich-ätherische Festmusik geschrieben. Die „Dritte“ Schubert D-Dur D 200 haben die Camerata Salzburg und Gérard Korsten mit dem nämlichen Energielevel vorüberstürmen lassen, wie das Violinkonzert. Unvergesslich.

Das Festival Begegnung dauert noch bis Sonntag (6.5.) -Programm www.camerata.at ; Karten www.mozarteum.at
Bild: www.patkop.ch / Marco Borggreve 

 

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