Zurück an den Ort der Uraufführung
MOZARTEUMORCHESTER / LEO HUSSAIN
23/03/12 Franz Schubert und Benjamin Britten, die Fixsterne der Donnerstagskonzerte des Mozarteumorchesters diese Saison, leuchteten auch diesmal. Diesmal stand Leo Hussain am Pult, und es gab eine Wiederbegegnung mit der kurzfristig eingesprungenen Sopranistin Írina Martínez aus Costa Rica.
Von Horst Reischenböck
Was hat Schuberts in seiner selten zu hörenden Ouvertüre zu „Alfonso und Estrella“ D 732 nicht schon alles vorweggenommen: gleich zu Beginn etwa den Anfang von Bruckners 9. Sinfonie! Leo Hussain tat seiner als Operndirigent geschärften dramatischen Ader keinen Zwang an, ließ aber mitunter dem Blech doch sehr die Zügel schießen.
Danach eine weitere Rarität in Gestalt der ausgedehnten Vertonung von „Einsamkeit“ D 620. Von Hector Berlioz über Jacques Offenbach zu Johannes Brahms, Max Reger und Anton von Webern: sie alle haben Schubert-Lieder orchestral zu gefasst. Benjamin Britten instrumentierte übrigens „Die Forelle“. In diesen Reigen fügte sich Detlev Glanert vor drei Jahren ein. Er verstärkte den Ausdrucksgehalt der Vorlage, ohne ihr Gewalt anzutun oder sie – wie beispielsweise Hans Zender mit seiner „Winterreise“-Version, das Original zu übermalen. Glanert orientiert sich an Schuberts eigener Instrumentalsprache, die erstmals Stimmungen, Gefühle, psychologische Charakterzüge einbindet und darin zukunftsweisend ist.
Trotzdem ist diese Orchesterfassung – so jedenfalls der Eindruck am Donnerstag (22.3.) im Großen Saal des Mozarteums - nicht unbedingt transparent für die Singstimme. Íride Martínez, in Festspielproduktionen von „Boris Godunow“ unter Claudio Abbado bis hin zu Mozarts Konstanze in der „Entführung aus dem Serail“ 2003 und in Matineen immer wieder zu Gast, stellte ihre ausdrucksstarke Stimme in den Dienst der differenziert zu gestaltenden Abschnitte der Komposition, die zwischen Lyrismen, emotionalen Ausbrüchen bis in Resignation führt. Nur die Textverständlichkeit ließ Wünsche offen.
Klug ausgedacht: Schuberts Vorfahren stammten wie Gustav Mahler aus Mähren. „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ aus den Rückert-Liedern bot Írina Martínez Gelegenheit, sich perfekt melodisch zu verströmen, subtil auch von den hervorragenden Holzbläsern unter der einfühlenden Leitung Leo Hussains assistiert. Da hjat man dann auch viel mehr Text mitbekommen.
Hussain hatte seinen großen Auftritt dann mit Brittens „Variations on a Theme of Frank Bridge“. Dieses Werrk brachte The Boyd Neel String Orchestra vor 75 Jahren am selben Ort zur Weltpremiere, mit damals nur 18 Ausführenden. Das Mozarteumorchester stellte, angefangen bei Konzertmeister Frank Stadler, ihrer 34 aufs Podium. Damit ließ sich natürlich auch opulent, klanglich süffig arbeiten. Beeindruckend, wie furios die witzige Aria Italiana gedeutet wurde, der fordernde „Hummelflug“ des Moto Perpetuo gestaltet oder die Eiseskälte des Funeral March ausgereizt. Ein Triumph sowohl für die exzellenten Streicher wie auch für Leo Hussains beschwörend, beflügelnden Hände!