Alle guten Energien für Brahms
KULTURVEREINIGUNG / WDR SINFONIEORCHESTER
01/03/12 Wann je wurde ein Kulturvereinigungskonzert vom ORF für aufzeichnungswürdig angesehen? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Heute, Donnerstag (1.3.), beim zweiten der drei Abende mit dem WDR Sinfonieorchester, wird das der Fall sein.
Von Horst Reischenböck
Am ersten Abend erlebte man eindrucksvoll, der in allen Instrumentengruppen mehrheitlich jung besetzt wirkende Klangkörper aus Köln drauf hat: ein Orchester in der Spitzenkategorie.
Zum Akklimatisieren Auftakt bemühte Jukka-Pekka Saraste vorerst einmal seinen Landsmann Jean Sibelius. Von „Finlandia“ abgesehen, sind dessen Tondichtungen in unseren Breitengraden ja leider kaum gefragt. Schon gar nicht „Der Barde“ op. 64, der in seiner Kürze freilich nicht wirklich tiefen Eindruck hinterlässt. Harfenklänge, zu denen der erzählende Sänger in beiden umrahmenden Abschnitten tief in die Saiten greift, lassen Erinnerungen an den Beginn von Bed?ich Smetanas „Vyšehrad“ wachwerden, dem ersten Teil dessen Zyklus „Ma Vlast“. Ein kontrastierend etwas kämpferisch bewegter Abschnitt dazwischen schildert den Wikinger-Ritter der Balladen-Vorlage.
Danach war ein Fest für Brahms-Freunde angesagt, deren es ja nicht wenige im Kreis der treuen Abonnenten gibt. Zunächst mit dem Violinkonzert in C-Dur op. 77. Vom ersten Einstieg nach dem bereits klanglich perfekt austarierten ersten Orchestertutti des Kopfsatzes fesselte darin einmal mehr Benjamin Schmid als Solist.
Engagiert balancierte er die Gratwanderung entlang der vom Komponisten oft nicht so offenkundig ins Rampenlicht gerückten, aber doch stets geforderten Virtuosität. Benjamin Schmid kostete mit seiner Stradivari tonschön die Joachim-Kadenz aus: einfach bewundernswert. In verinnerlichter Zurücknahme versenkte sich der Solist in den lyrischen Gesang des Adagios, und umso heftiger fiel die bewusst zugespitzte Attacke das fast widerspenstig anmutenden Final-Rondos aus. Jukka-Pekka Saraste assistierte in absolut gleichem Geiste und forderte aufmerksam die gegenüber dem Sibelius-Werk geringfügig reduzierte Besetzung zu ebenso warmblütigem Spiel auf. Der Jubel fiel euphorisch aus.
Der Kulturvereinigungs-Zyklus am Mittwoch heißt ja „Die große Symphonie“, diesmal mit Brahms' Erster. Vom ersten so bestimmt ausgeführten Akkord an war es klar, dass des dem finnischen Dirigent in dem c-Moll-Werk um die kämpferische Auseinandersetzung ging, der er im vorwärtsdrängenden Sog auch die geforderte Wiederholung der Themen-Exposition opferte. Demgegenüber verblieben die Binnensätze tatsächlich nur als Episoden im Gedächtnis, so schön auch etwa die Holzbläser, von der Oboe angeführt, darin agierten. Ein Sonderlob gebührt auch dem Hornsolisten für seine Strahlkraft im Schluss-Satz, den Saraste beeindruckend in begeistert angenommen positiven Ausklang katapultierte.