asdf
 

Charme und Temperament

CAMERATA / OSCAR JOCKEL

09/03/25 Wie muss man sich das Ritterballett vorstellen, zu dem der 21jährige Beethoven, damals noch in Bonn, die Musik schrieb? Es war keine Performance einer Tanzkompagnie. Graf Waldstein, ein wichtiger Förderer des jungen Komponisten, veranstaltete 1791 einen Maskenball.

Von Reinhard Kriechbaum

Beethovens Musik zu einem Ritterballett, ein Werk, das ohne Opuszahl geführt wird, ist also keine Ballettmusik, sondern eine Folge von Gesellschaftstänzen. Vom Marsch zum Walzer, von einer Romanze („Minnelied“) zum überdrehten „Trinklied“. Im „Jagdlied“ haben erwartungsgemäß die Hörner nicht wenig zu tun (originelle, wie Beethoven Horn- und Klarinettenklang mischt). Und im „Kriegslied“ knirschen die Naturtrompeten und die Pauken schlagen drein.

Der dreißigjährige Oscar Jockel, der im jüngsten Abo-Konzert am Pult der Camerata Salzburg stand, ist in Salzburg schon oftmals in Erscheinung getreten, als Dirigent und Komponist. 2023 hat er den Karajan-Preis der Osterfestspiele bekommen, an der Universität Mozarteum wurde 2018 seine Oper Lob des Schattens uraufgeführt. Seine Dirigierausbildung hat er bei sehr unterschiedlichen Lehrern bekommen und unter anderem als Assistent von Kirill Petrenko gearbeitet. An diesem Wochenende (7., 9. März) im Großen Saal des Mozarteums hat die Camerata unter seiner Leitung fast wie ein Originalklangensemble geklungen. Die Musikerinnen und Musiker sind sichtlich mit Neugier eingestiegen auf seine Ideen.

In den charaktervollen Tanzstücken von Beethovens Ritterballett ließ Jockel auf starke Kontraste setzen, vieles begann er leise und duftig, um dann dem Tanzcharakter mit Effekt nachzuhelfen. Sehr charmant. Nicht minder ergiebig in den Kontrasten Mozarts Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 595. Das kommt ja nur an der Oberfläche lyrisch daher, selbst das schmeichelnde Hauptthema des Eröffnungssatzes ließ Oscar Jockel durch die Holzbläser stimmungsmäßig „unterlaufen“. Das Zwielicht hatte System und der japanische Pianist Mao Fujita fand reichlich Anknüpfungspunkte. Er stieg merklich lustvoll ein auf die Angebote des Orchesters, wobei seine Stärke ohne Zweifel ein delikat singender Anschlag, ein ganz feines Legato ist. Der junge Mann ist Mozart-Spezialist, hat sämtliche Klaviersonaten nicht nur beim Schweizer Verbier Festival und in der Wigmore Hall in London gespielt, sondern sie auch für Sony Classical aufgenommen. So lebhaft, gut ausgehorcht und alert in der Interaktion, wie nun das Konzert KV 595 erklang, sollte man sich die Paarung Oscar Jockel, Mao Fujita und Camerata unbedingt für die Mozartwoche vormerken: historisch informiert und zugleich verspielt duftig, das hatte seinen Reiz.

Juan Crisóstomo de Arriaga (1806-1826) wird oft als „Spanischer Mozart“ bezeichnet, was allerdings ziemlich in die Irre führt und falsche Hoffnungen weckt. Arriagas Musik gehört bereits in die Romantik. Außer dem gleichen Geburtstag (aber genau ein halbes Jahrhundert nach Mozart) hat er rein gar nichts mit diesem zu schaffen. Arriaga ist nur zwanzig Jahre alt geworden. Die Symphonie in D hat er als Fünfzehnjähriger begonnen. Spontan fällt einem „Sturm und Drang“ ein zu dem Werk, aber diese Epoche war da auch schon gute fünfzig Jahre vorbei. Spricht aus diesem Stück pubertärer Ungestüm, ein bisserl Testosteron-Überschuss? Die Wiedergabe durch Oscar Jockel und die Camerata setzte auf Spielfreude und pointierte Zuspitzung und war damit wohl auf der richtigen Spur.

Nachdem sich der Eröffnungssatz von einer Adagio-Einleitung mit zahllosen Bläser-Seufzern in ein quirliges Allegro vivace verwandelt hat, rechnet man überhaupt nicht mit einer nochmaligen Temposteigerung, einem Presto-Abschluss als Ohrenausputzer. Diese Symphonie von Arriaga zwischen zwischen „echtem“ Mozart (die Figaro-Ouvertüre wurde als Zugabe mit aller Camerata-Verve nachgeschickt): Das regt zum Vergleichen an und genau das tut Arriaga dann nicht so gut…

Zwischen den beiden Salzburg-Terminen wurde dasselbe Programm am Samstag (8.3.) im Münchner Prinzregententheater gegeben, am (11. und 12.3.) wird es im Wiener Konzerthaus zu hören sein – camerata.at; konzerthaus.at
Bilder: opus3artists.com/Tom Schweers (1); Camerata Salzburg/Dovile Sermokas (1)

 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014