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Mit Swing durch die Vesper

BACHGESELLSCHAFT / BOHEMIAN BAROQUE

25/11/24 Wie eine Komponisten-Traumkarriere im Barock aussehen hat können? Telemann als Berliner Überdrüber-Chef des Hamburger Opern- und Kirchenmusikbetriebs war natürlich nicht einzuholen, aber Jan Dismas Zelenka (1679-1745) hat es auch formidabel getroffen.

Von Reinhard Kriechbaum

Vom Wiener Hofkapellmeister Johann Joseph Fux in die Raffinements des Kontrapunkts eingefuchst zu werden, war schon mal die allerbeste Voraussetzung. Und dann, nach kurzem Umweg über Prag, gleich nach Dresden, ins „Elbflorenz“: Das war ein Senkrechtstart. Dort blieb Zelenka zwar sein ganzes Leben lang Vizekapellmeister unter dem gefragten Opernschöpfer Johann Adolph Hasse – aber die Kirchenmusik, für die Zelenka dort weitgehend verantwortlich war, war sowieso sein ureigenes Metier. Die Chroniken berichten von keinen Eifersüchteleien oder Aufstiegskämpfen.

Hört man jetzt Zelenkas Musik – am Freitag (22.11.) bot die Bachgesellschaft in der Großen Aula dazu Gelegenheit – dann versteht man gut, warum die Zeitgenossen Bach eigentlich für ein Auslaufmodell gehalten haben. Mag sein, dass der als Kirchen-Compositeur hoch spezialisierte Böhme in Wirklichkeit sogar der bessere Telemann war. Aber er blieb stilistisch eben noch dem Barock verhaftet, wogegen der Hamburger Kollege den Weg in den empfindsamen Stil einschlug.

Eine Blütenlese aus den Vesperpsalmen – es gäbe deren 33 durchs ganze Kirchenjahr. Werk um Werk Überraschungen, denn Jan Dismas Zelenka war ein höchst kreativer Geist, wenn es darum ging, Inhalte der jeweiligen Texte gleichsam bildlich mit wundersam effektvollen Chiaroscuro-Effekten zu illustrieren, oder besser: mit eigentlich sehr sparsamen Mitteln (Streicher, zwei Oboen) die barocke Palette farbenreich anzurühren.

Das Ensemble unter der Leitung von Adam Viktora gab sein Salzburg-Debüt. Man wirft der Bachgesellschaft manchmal vor, dass sich die Programme und Musikerauswahl in sehr, sehr eingefahrenen Geleisen bewegen. Aber wenn wie diesmal ein wirklich herausragendes Ensemble vorgestellt wird – dann lässt das Publikum offensichtlich aus. Schütter besucht war die Große Aula. Will das Bachgesellschafts-Publikum wirklich vor allem das Weihnachtsoratorium hören? Schade, wenn's so wäre.

Die Begegnung mit Zelenkas Werken hat jedenfalls ebenso gelohnt wie jene mit Bohemian Baroque, dessen je neun Sänger und Instrumentalisten diese Musik so recht un-alltäglich haben swingen lassen. Zelenkas Vesperpsalmen zeichnen sich durch innige Verzahnungen zwischen solistischen und Ensemble-Beiträgen aus, bestechen mit unorthodoxen Lösungen. Da singt der Basssolist im Laudate Pueri immer und immer wieder leitmotivisch diese beiden eröffnenden Worte, während die Frauenstimmen den Rest-Text „abarbeiten“. Es gibt aber auch das genaue Gegenteil: Im Magnificat haben Sopran und Bass das Sagen, wogegen der Chor die Eröffnungszeile immer wieder als Refrain einwirft. Sinn für Form und Gleichgewicht: Nach diesem solistisch-intimen Magnificat kommt die abschließende Chorfuge nicht knallig, sondern geschmeidig und elegant daher.

Überhaupt die Gloria patri-Abschnitte und das sprichwörtliche Amen im Gebet, womit jeder Psalm abgerundet wird: Da sind dem ur-musikantsichen böhmischen Barockmeister immer neue Varianten eingefallen, unterschiedliche Textaufteilungen für Chor und Solisten, variable Gewichtungen: Man hört gebannt zu. Cello und Bass – was für tolle Musiker in diesem Ensemble! – liefern Energie ohne Pause zu. Zelenka war Kontrabassist, und er muss ein sehr guter Spieler gewesen sein...

Ein Gustostück lieferte nicht nur Virgil Hartinger mit seinen wunderbar weichen, präzisen Koloraturen im Laudate Dominum, auf die die weiteren Vokalisten geradezu übermutig, sprudelnd reagierten. Gabriela Eibenová, Lenka Cafourková (Sopran), der Altist Jonathan Myenschein und Roman Hoza (Bass) waren die ebenbürtigen Solisten, die aus dem Ensemble hervortraten oder sich geschmeidug diesem einfügten. Adam Viktora ist ein Stil-Kenner. Er sei einer der Spezialisten gerade für das Werk von Jan Dismas Zelenka heißt es. Man glaubte das am Freitagabend aufs Wort.

Gern gesehene Gäste wieder fürs Weihnachtsoratorium (Kantaten I, IV-VI) am 21. Dezember im Großen Saal der Stiftung Mozarteum: das L'Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg begleitet das Collegium Vocale – www.salzburger-bachgesellschaft.at
Bilder: dpk-krie

 

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