Klassische Grenzgänge
MOZARTEUMORCHESTER
22/11/24 Im zweiten vor allem Mozart und der Wiener Klassik gewidmeten Donnerstagskonzert im Großen Saal des Mozarteums gab es den Versuch, eines der typischen „Academiekonzerte“ der Zeit Mozarts und Beethovens nachzuahmen. Geboten wurde höchste musikalische Qualität, aber auch eine recht disparate Dramaturgie.
Von Paul Kornbeck
Beethoven hätte anno 1808 sicher etwas gegen eine Zerstücklung seiner Sechsten gehabt – der Pastorale, also dem „Urknall“ der romantischen symphonischen Tondichtung. Kaum war der erste Satz, die „heiteren Empfindungen am Lande“, verklungen, von Roberto González-Monjas und dem Mozarteumorchester in trauter Gemeinsamkeit und wohliger Schönheit bei duftiger Transparenz musiziert, erschien der sympathische Opernheld Andrè Schuen auf Podium und gab drei heftig in den Raum geknallte Mozart'sche Wunschkonzert-Arien zum besten, die beiden des Figaro und die Registerarie des Leporello. Der gestandene Graf Almaviva und Don Giovanni hatte sichtlich Spaß daran, einmal in die Buffo-Rollen zu schlüpfen, obwohl diese nicht so ganz die seinen sind. Dem edlen lyrischen Bariton und souveränen Darsteller fehlen in diesem Fach zumindest auf dem Konzertpodium doch etliche Charakter-Farben. Nach der gefühlvollen Darbietung Beethoven'scher Frühromantik und vor der wundersamen, mit perfekten Holzbläsersoli glänzenden „Szene am Bache“ wirkte der Auftritt am Donnerstag (21.11.) wie ein totaler Stimmungswechsel, um nicht zu sagen wie die Faust aufs Auge.
Wäre es bei einer Wiederholung eines solchen, an sich interessanten Academie-Programms nicht lohnender, Bezüge zwischen den Opern des Hausgotts Wolfgang Amadé und seinen Instrumentalwerken, in denen viele musiktheatralische Motive auftauchen, aufzuzeigen? Immerhin passte die poesievolle Konzertarie Mentre die lascio, oh figlia (Da ich dich lasse, o meine Tochter) atmosphärisch besser, sie fand sozusagen noch „am Bache“ im Wiener Beethoven-Gang statt, ehe André Schuen mit der perfekt artikulierten Grafen-Arie aus Le nozze di Figaro auftrumpfte.
Dies setzte sich nach der Pause fort mit der aufregenden, vor der Uraufführung gestrichenen Guglielmo-Arie aus Cosí fan tutte. Da konnte der gebührend gefeierte Sänger seine ganze Gestaltungskunst im Wirrwarr der Gefühle zeigen. Für die nette Kleinigkeit Komm, liebe Zither KV 367b und Don Giovannis Canzonetta wurde der Star-Mandolinenspieler Avi Avital aufgeboten, der mit Brillanz und pfiffiger Persönlichkeit Furore machte. Lebhaft hinausposaunt erklang dann noch die sogenannte Champagnerarie. Roberto González-Monjas südliches Temperament verbindet den von Beethoven und wohl auch von Mozart geforderten „Ausdruck der Empfindung“ mit Präzision und ausgefeilter Naturmalerei. Gerne wurde man ihm bald mit einer kompletten Mozart-Oper und mit einer in sich geschlossenen Darbietung der „Pastorale“ wieder begegnen. Die zum Glück wie im Original pausenlose Folge von Dorfmusikantenfest, Gewitter und Hirtengesang war ein glänzendes Finale. Das Orchester ist mit seinem neuen Chef merkbar glücklich und das Publikum ist es ebenfalls.
Bilder: MOS / Christoph Köstlin Deutsche Grammophon