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Die üppigsten Farben des tönenden Barock

CHRISTUSKIRCHE / BACHWERKVOKAL

24/06/24 Beinah unglaublich, was da ein Bach-Zeitgenosse in Barcelona 1742 zu Papier gebracht hat. Die Mapa Armónico Práctico von Francesc Valls (1671-1747) taugte Stück um Stück für musikalische Rätselspiele – und mit dem einen oder anderen könnte man auch in Alte Musik eingefuchste Hörer ins Bockshorn jagen.

Von Reinhard Kriechbaum

Kommt aus der Hölle, Diener des Zorns, denn der Tod bringt Schreckliches und Zorn hervor. Da schneiden die Streicher mit scharf punktierten Rhythmen ins Fleisch und die Harmonien in den Singstimmen lassen keinen Zweifel, dass sich Ungemach zusammenbraut. Gordon Safari hat auf das effektsichere Chorstück Salid del Averno noch eins draufgesetzt und die Windmaschine nach Kräften brausen lassen. Es stürmt also gewaltig, wenn das Tor zur Hölle offen steht. Das könnte man sich gut als Opernszene vorstellen – allerdings hat Francesc Valls keine Oper geschrieben.

Der Katalane hat an zwei Kirchen in Barcelona gewirkt und fast ausschließlich Kirchenmusik hinterlassen. Aber was für eine! Unerwartete Modulationen brechen über den Hörer herein und die Chromatik hebelt die konventionelle Tonsatzlehre aus. Es kommt einem Gesualdo da Venosa in den Sinn, dieser Manierist an der Grenze zwischen Renaissance und Barock. Aber der komponierte eben 150 Jahre vor Valls. Bei dem ist das Unerwartete oft bis zur Bizarrerie übersteigert und zugleich oft extrem verknappt. Erravi sicut ovis quae periit (Ich bin in die Irre gegangen wie ein verlorenes Schaf) – da kam Francesc Valls mit wenigen Takten aus, dafür taumeln die Harmonien, dass man die bedrohliche Unwegsamkeit greifen kann. Plorans ploravit in nocte: In dieser Motette rinnen die Tränen tatsächlich über die Wangen des Klagenden.

Francesc Valls konnte aber auch ganz anders: In der Motette Crucem tuam hören wir, wie durchs Kreuz die Freude in die ganze Welt kam, und da lässt Gordon Safari sein Ensemble in mitreißende Begeisterung ausbrechen, so wie die doppelchörige Motette Laudate Dominum von Jubelstimmung getragen ist. Die zehnstimmige Fronleichnamssequenz Lauda Sion gleicht einem übermütigen Tänzeln: So geht Überschwang!

Nach anderthalb Konzertstunden am frühen Sonntagabend (23.6.) brach in der Salzburger Christuskirche Jubel aus, und den haben sich Gordon Safari und BachWerkVokal redlich verdient. So wirkungssicher diese Stücke anmuten, ist das doch keineswegs Musik, die sich wie von selbst singt und spielt. Den Stücken eignet ein hohes Maß an Unberechenbarkeit. Die sich dahinschraubenden Akkordfolgen fordern von den Sängern präzise Vorstellung und Intonationssicherheit. BachWerkVokal, im Moment viel auf Reisen und quasi dauerbeschäftig, ist im Bestform.

Das vielleicht eigenwilligste Werk ist die Composición enarmónica para instrumentos de arco, in der Francesc Valls drei Geigen und ein Violoncello ins Reich der Vierteltöne stürzt. Das ist so faszinierend schräg, dass man gar nicht mehr zu hoffen wagt auf das sich letztlich doch einstellende Ende in lichtem Dur. Man versteht da gut, dass Valls manchen seiner Zeitgenossen als Enfant terrible galt und seine Musik heftig diskutiert wurde. Nicht alles ist chromatisch überladen. Wie im ganz eng gesetzten sechsstimmigen Kanon Ecce enim die „unsichere und verborgene Weisheit offenbart“ wird, das verblüfft in seiner scheinbaren Schwerelosigkeit auch heutige Hörer.

www.bachwerkvokal.com
Bilder: dpk-krie

 

 

 

 

 

 

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