Die glitzernden Farben des Orchesters
MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE
22/05/24 In der letzten Sonntagsmatinee dieser Saison im Großen Festspielhaus war Musik von Joseph Haydn, Wolfgang Amadé Mozart und Witold Lutosławski zu erleben. Roberto González-Monjas, ab Herbst neuer Chefdirigent des Mozarteumorchesters, zeigte sich als charismatischer Gestalter, nicht nur, was die Wiener Klassik betrifft.
Von Paul Kornbeck
Es waren Mittagsstunden voll betörender Klangfarben. Am Beginn stand Haydns Symphonie in C-Dur Hob. I:60 „Il Distratto“. Dafür bündelte Haydn anno 1775 auf Schloss Eszterháza die Höhepunkte seiner Bühnenmusik zur heute wohl mit Recht vergessenen Komödie Le Distrait (Der Zerstreute) von Jean François Regnard zu einer sechssätzigen Suite voll pfiffiger Kreativität. Von gleichsam ins Leere laufenden Stotter-Akkorden am Anfang bis hin zu einem „Adagio di Lamentatione“ melancholischen Charakters mit jähen Zornesausbrüchen des vergesslichen Titelhelden und einem gekonnt falschen, ziemlich atonalen Einsatz der Streicher im turbulenten Finale reicht die Palette. Die verworrenen Liebesintrigen des Stücks, die allesamt ergreifend komisch sind und zu einer Hochzeit von drei Paaren führen, werden frech und frisch karikiert. Welch ein grandioses Stück musikalischen Witzes! Roberto González-Monjas zeichnete diese spritzige Klangposse mit viel Feingefühl und Laune nach; das bestens aufgelegte Orchester hatte ebenso seinen Spaß damit wie das Publikum.
Danach folgte Mozarts Hornkonzert Es-Dur KV 495 als feinste Unterhaltungsmusik zum genießerischen Zurücklehnen, brillant geblasen vom Solohornisten des Orchester, Paul Pitzek. Auch hier blitzte zwischen akkurat schnellen Läufen und gefühlvollen Kantilenen mitunter der Schalk zwischen den Noten hervor. Als Zugabe spielte der Solist noch mit zwei ebenso virtuosen Kollegen vom Orchester, Rob van de Laar und Samuele Bertocci, ein charmantes Trio von Mozart.
Nach der Pause folgte eines der ganz großen Meisterwerke aus der Zeit nach 1945 – Witold Lutosławskis, des hierzulande eher Vernachlässigten, Konzert für Orchester. Béla Bartók hatte dafür Pate gestanden, aber dem polnischen „Klassiker der Moderne“ gelang damit ein ganz eigener Geniewurf. Wie hier drei Sätze lang mitreißende masurische Tanzweisen, slawisch gefühlvolle Liedmotive, überaus komplexe Rhythmen, klassizistische und barocke Erinnerungen und eine spezifische Art von unter die Haut gehender Expressivität aufregende Verbindungen eingehen, dabei parodistische Schostakowitsch-Gestik und einmal – im Pizzicato des Capriccios – Tschaikowskys Furor quasi liebevoll befragend, zeigte (und zeigt!) einen wesentlichen Weg musikalischer Entwicklung innerhalb einer von Zwängen befreiten, neu zentrierten Tonalität. Das Stück ist eine wahre Prüfung für die Brillanz eines großen Orchesters, welche das Mozarteumorchester in allen Formationen und als gesamter, verführerisch glitzernder Klangkörper glänzend bestanden hat. Maestro González-Monjas dirigierte nicht bloß anfeuernd und technisch perfekt, sondern auch mit spürbarer Liebe zu dieser Musik. Großartig, wie er auch kleinste Details hörbar machen kann, ohne den großen Bogen zu verlassen. Ein Feuerwerk an Gefühlen, Pointen, Farben, gehörig bejubelt!