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Eine recht ordentlich wilde Liebe

SCHUMANN-FESTIVAL / OLEG MAISENBERG

09/06/10 Der „Carnaval“ zum 200. Geburtstag, aber auch die "Kreisleriana“. Und zuvor eine „Arabeske“, eine nicht so bekannte Perle aus Robert Schumanns pianistischem Schatzkästlein: Oleg Maisenberg eröffnete das Schumann-Festival im Solitär der Universität Mozarteum.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Dienstag (8.6.) war ja genau der 200. Geburtstag des Meisters, der – wenn es nach seinem Willen gegangen wäre,  wie Beethoven zum Österreicher mutiert wäre. In Wien hat Schumann sich jedenfalls genauer umgesehen, weil er sich und die Redaktion seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“ dort ansiedeln wollte. Ist nichts draus geworden. Aber die „Arabeske“, mit der Oleg Maisenberg sein Recital eröffnete, ist vermutlich in Wien entstanden.

Maisenberg hat das Pedal tief und lang durchgetreten - und trotzdem kamen die Arpeggien, mit denen Schumann nicht sparte, glasklar und vor allem mit sagenhafter Weichheit. Schon diese „Arabeske“ zeigt, was im Schaffen Schumanns – wenn man es nur genau genug ausleuchtet – allgegenwärtig ist: Die Dinge liegen nicht so, wie sie im ersten Moment scheinen wollen. So ließ Maisenberg das jovial-idyllisch anklingende Stück verträumt, tiefsinnig, ja fast im melodischen Fluss stockend ausklingen.

Oleg Maisenberg lebt lange genug in Wien, dass er mit Romantik und Klavier vielleicht als erstes Schubert assoziiert. Und ansehnlichen Schubert-Anteil gibt er auch Schumann mit. Die „Kreisleriana“ wurde alles andere als ein von Bizarrerien und Launenhaftigkeiten durchsetztes Charakter-Porträt. Das war eher ein Bildnis von einem gesetzten Herren, den die Liebe vielleicht zur einen oder anderen übermütigen Tändelei, zur einen oder anderen Verstellung verleitet – aber dem die Ernsthaftigkeit nie abhanden kommt. „Eine recht ordentlich wilde Liebe liegt darin in einigen Sätzen“, hat Schumann über die „Kreisleriana“ an seine Braut Clara geschrieben. Maisenberg hat sich, so schien es, entschieden, ein jedes Attribut wörtlich zu nehemn.

Des Pianisten Liebe zu Schumann ist „recht ordentlich wild“ auch in „Carnaval“. Freilich: Die Verstellung, die Pikanterie, das Ausgelassene hat hier weit mehr Platz als in der „Kreisleriana“. Aber auch da bricht Maisenberg gerne und mit viel Hintersinn die Stimmungen. Er führt gerne vor, dass all die Leute wie Florestan, Eusebius, Estrella, Chiarina (hinter dieser Maske versteckt sich Clara Schumann) eben nur gut maskiert und eigentlich ganz andere sind. Das hat bei Maisenberg übers Pianistische hinaus noch eine deutliche Tiefendimension. An diesem Abend wurde einem wieder einmal bewusst, wie weit die Tasten-Hochleistungssportler à la Lang Lang eigentlich an Schumanns Nukleus vorbei treffen.

Das Schumann-Festival im Solitär dauert bis 12. Juni. Er wird heute, Mittwoch, vom Duo Mikhail und Sonya Ovrutsky (Violine/Klavier) fortgesetzt. Nach weiteren Kammermusik-Abenden mitdem Boulanger-Trio und dem Faust-Quartett endet er am Samstag (12.6.) wieder am Klavier: mit der blutjungen Moskauer Pianistin Olga Scheps. - www.mozarteum.eu
Bild: Universität Mozarteum / Zwazl

 

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