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Die vollkommenen Unvollendeten

KULTURVEREINIGUNG / WIENER SYMPHONIKER

21/01/10 In Wien ein (beinah) "stilles Konzert", in Salzburg am Mittwoch (20.1.) umjubelt: Unter Fabio Luisis Leitung die beiden größten "Unvollendeten" in vollendeter Interpretation.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die Streicherscharen, welche schon bei Franz Schuberts h-Moll-Symphonie das Podium bevölkerten, mögen historisch oft schlecht informierte Puristen stören. Doch waren weder die Wiener Philharmoniker bei der Uraufführung 1865 im Wiener Musikverein ein Kammerorchester, noch hat sich der Komponist 40 Jahre davor dazu geäußert. Wie Mozart und Haydn hätte er wohl die Besetzung dem Raum angepasst. Und er hätte seine Freude daran gehabt, wie schön die Streicher der Wiener Symphoniker unter Fabio Luisis ebenso einfühlsamer wie leidenschaftlicher Leitung Pianissimo spielen können, wie warm und von innen leuchtend die Holzbläsersoli klingen, wie stimmig und ausgehorcht die Balance zwischen Streichern und Bläsern auch so sein kann.

Fabio Luisi lässt die Schatten dieser Musik wachsen und die seligen Inseln leuchten, setzt aber immer wieder kräftige dramatische Akzente. Gerade in dieser großen symphonischen Form wird deutlich, wie weit voraus Schubert seiner Zeit gewesen ist. Auch er war ein "Zeitgenosse der Zukunft", nämlich einer jeden kommenden Zeit.

In Wien haben die Wiener Symphoniker ihr traditionelles Bundesländer-Tourneeprogramm als "stilles Konzert" ohne Applaus versucht, was bei diesem meditativen Programm nahe liegt, aber dem Vernehmen nach nicht ganz funktioniert hat. In Salzburg war erfreulich, dass die Hustenfraktion im Publikum sich diesmal großteils auf die Pausen zwischen den Sätzen beschränkte. Auch Anton Bruckners Neunte Symphonie konnte meist ungestört den Raum erfüllen. Das bereits bei Schubert angesprochene "innere Leuchten", der samtene Streicherklang, die weich artikulierenden Holzbläser und das durchschlagskräftige, aber nie scharfe Blech, das sind typisch "wienerische" Vorzüge, welche einer im Grunde  romantischen Bruckner-Sichtweise sehr zugute kommen. Fabio Luisi sorgt aber stets für klug aufgebaute und emotional erfüllte Klang-Dramaturgie. Mag man an den Gott, dem Bruckner das gewaltige Werk gewidmet hat, nun glauben oder nicht, es bleibt eine wundersam spirituelle Kraft, die besonders im unendlichen Gesang des dritten Satzes tief berührt. Und damit Ende. Die Symphonie ist formal unvollendet, aber - wie auch Schuberts Torso - eines der in der Aussage vollkommensten Werke der ganzen Literatur.

Kann man danach noch eine Zugabe spielen, wenn, wie diesmal, das Publikum nicht aufhört zu klatschen? Man kann, wenn man Jean Sibelius, den man den "Bruckner des Nordens" genannt hat, ernst nimmt, und "Valse triste" als innigen Tanz von den letzten Dingen interpretiert. Da ergab sich sogar eine ganz unvermutet verzaubernde Abrundung des Programms.

Bild: www.fabioluisi.com/Barbara Luisi

 

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