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Eine gar unprotestantische Lebensfreude

CD-KRITIK / HOCHZEIT IM HAUSE LUTHER

12/02/14 Ein Fest im Haus Luther – da wollte man als heutiger Musikfreund sich doch flugs in eine hellhörige Stubenfliege verwandeln und auf Zeitreise in die Vergangenheit entschwirren. Wie könnte die Hochzeitsmusik geklungen haben?

Von Reinhard Kriechbaum

Von Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora wissen wir aber leider nicht viel Konkretes – außer dass unter anderem der Maler Lukas Cranach zu den Trauungsgästen zählte. So schwer ist’s freilich nicht, sich den „Sound“ zum Ereignis auszumalen. Es wird dem Reformator nicht gefehlt haben an Qualitätsbewusstsein, und an Kontakten zu damals namhaften Komponisten mangelte es auch nicht. Mit geistlicher und weltlicher Musik von Isaac, Senfl, Josquin, nahe liegender weise auch mit Stücken wie dem „Deutschen Credo“ von Luthers getreuem Musikberater Johann Walther wird die Schalmei-Spezialistin Katharina Bäuml richtig liegen.

Sie hat idiomatisch einprägsam Gefärbtes für diese CD zusammengestellt: mit drei Vokalisten (Cécile Kempenaers, José Pizarro und Matthias Gerchen) und der „Capella de la torre“. Das ist ein Grüppchen von Musikern mit Instrumenten, wie sie eben die „Pifferari“, „Ministriles“, „Stadtpfeifer“ (oder wie auch immer sie hießen quer durch Europa) vernehmlich haben klingen lassen, von Türmen herab, aber eben auch in den Kirchen und in den Wirtsstuben, wenn Festlichkeiten angesagt waren.

Schalmeien, Dulcian, Sackbutt (Renaissanceposaune), auch Blockflöten: Das ergibt einen bunt gemischten Klang, der die Polyphonie so recht greifbar macht. Natürlich wird die vokale oder instrumentale Besetzung einzelner Stimmen dem Usus der Zeit entsprechend flexibel und im Wechsel quicklebendig gehandhabt.

Das ist oft verblüffend abwechslungsreich: Man nehme etwa Johann Walters Psalmvertonung „Beati immaculati“, in der immer eine Stimme markige Quartsprünge hat. Katharina Bäuml lässt ihre Kumpanen da tänzeln, beinah jazzeln. Der Effekt ist natürlich umso nachhaltiger, wenn, dieses sich durchziehende Ta-tü einmal vokal ausgeführt, und dann wieder von einem Blechblasinstrument aufgegriffen wird.

Zuerst hört man Musik für einen protestantischen Gottesdienst, in dem damals ja auch noch manches auf Lateinisch gesungen wurde. Und dann geht’s ans Feiern, Heinrich Isaacs „Carmen“ leitet hinüber in ein Florilegium an Spiel- und Tanzstücken. Man gab sich auch französischen und italienischen Liebesliedern hingab, wie sie damals als Gassenhauer auch nach Wittenberg gespült wurden. So könnte es jedenfalls gewesen sein – eine gar unprotestantische Lebensfreude!

„Luther’s wedding Day“. Capella de la torre, Ltg. Katharina Bäuml. Challenge Classics, CC 72598 – www.challengerecords.com

 

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