Judith und Holofernes
CD-KRITIK / GAIGG / L’ORFEO BAROCKORCHESTER
08/10/13 Eine faszinierende Einspielung von Mozarts früher Azione sacra „Betulia liberata“ ist im Vorjahr im Anschluss an die Donaufestwochen im Strudengau unter der musikalischen Leitung der Intendantin Michi Gaigg entstanden.
Von Horst Reischenböck
Die Ouvertüre wirkt vom ersten Takt an in ihren Eckabschnitten dramatisch erregt zugespitzt und artikuliert im Kontrast dazu punktgenau den flehenden Mittelteil: Eine perfekte Einstimmung, um den Hörer von Anfang an mitzureißen. Sogleich gefolgt vom bewegend beschwörendem Tenor Christian Zenker als Ozia. Wie alle Vokalisten überzeugt auch er mit beweglich schlanken Koloraturen.
Schon hier wird eine der Vorzüge dieser Aufnahme spürbar: das nervig pulsierende Musizieren. Dadurch wirkt jede der noch dem barockem Vorbild verpflichteten da-capo-Arien zu keiner Sekunde langweilig. Wolfgang Amadé Mozarts jugendliches Genie leerte über die dem Oratorium zugrundeliegende fiktive "biblische Geschichte" ein Füllhorn an differenzierter instrumentaler Begleitung. Mozart wurde von Pietro Metastasios Text geradezu entzündet, angeregt zum grandiosen Vorführen zahlreicher Facetten emotionaler Regungen. Fast hat es den Anschein, als hätte sich Mozart - ohne Rücksicht auf ihm ohnedies unbekannte Sänger zu nehmen - ganz einfach ausgetobt: Um zu zeigen, wessen er bereits fähig war.
Schön unterschiedlich in diesem Fall die Sopranstimmen: Ulrike Hofbauer als Cabri und Mareliza Gerbers Amital, die sich linear mit den Bläsern mischt. Später gesellt sich zu ihnen dann noch Barbara Kraus als Carmi hinzu. Giuditta, Mezzo Margot Oitzinger, wirkt textbezogen vorerst einmal kontemplativ, lyrisch. Als Letzter im Bunde betritt dann König Achior alias Bariton Markus Volpert die Szene: erregt, stürmisch, wenn der Israelit von seinem Assyrischen Gegner erzählt.
Das Vokalsextett stellt übrigens auch den Chor. Also nicht, wie in anderen konzertanten Aufführungen bislang praktiziert, sondern wie es höchstwahrscheinlich auch in einer halbszenischen Aufführung als eben geistliche Handlung in Privatgemächern der Fall gewesen sein hätte können. Wobei ja eine Aufführung von Mozarts Oratorium in Padua, so wie eigentlich geplant gewesen, dazumal gar nicht stattfand. Er dürfte dieses sein Werk wahrscheinlich nie öffentlich zu hören bekommen haben.
Dafür entschädigt uns nun Michi Gaigg einmal mehr in hohem Maße: durch ihren beherzten Zugriff in Verbindung mit den prachtvoll farbig klingenden Originalinstrumenten des L’Orfeo Barockorchesters. Diese im August des Vorjahres in der Stiftskirche Waldhausen in Oberösterreich entstandene Aufnahme reiht sich als weitere Perle in ihre bis lang erschienenen Einspielungen. Diese ist nur leider mit dem einen Makel behaftet, dass das Label offenbar meinte, jeder Deutschsprachige müsse auch des Italienischen mächtig sein: Das Booklet bietet nämlich nur eine englische Übersetzung. Also „Text an der Kasse“!