Tiroler Gipfelsturm
CD-KRITIK / GUSTAV KUHN
24/12/12 Mit dem Orchester „seiner“ Tiroler Festspiele in Erl gestaltete Gustav Kuhn 2010 eine grandiose Aufnahme von Richard Strauss’ Tongemälde „Eine Alpensinfonie“. Es zeigt sich: Alle an dem Gipfelsturm Beteiligten waren schwindelfrei und trittsicher.
Von Horst Reischenböck
Die Kräfte werden konzentriert: Die Leitung des Haydn Orchesters Bozen-Trient hat Gustav Kuhn zurückgelegt, das Delirium in Salzburg schon zuvor abgesagt, für Gustav Mahler will er sich in Toblach nun auch nicht mehr engagieren und sich stattdessen nur mehr sommers wie winters den Festspielen in Erl widmen.
Mit Strauss’ ausufernd letztem großen Einsätzer op. 64 setzte sich Kuhn schon verschiedentlich auseinander. Ich erinnere mich beispielsweise noch an ein Konzert Anfang der achtziger Jahre in Bern. Damals stellte er auch zusätzlich zwei Alphörner mitten aufs Podium. Das ist von Strauss eigentlich so nicht vorgesehen, aber es war wohl eine Reverenz der Schweiz gegenüber.
Man weiß es ja nicht so genau: Wurde Strauss von einem Anstieg auf den Loser im steirischen Salzkammergut inspiriert oder von der Bergwelt rund um sein Domizil in Garmisch? Tirol hat jedenfalls genug Ähnliches anzubieten. Gustav Kuhn mag also wohl nicht zuletzt auch die Pracht dieser Umgebung zu erneuter Auseinandersetzung angeregt haben.
Von der klanglichen Opulenz her betrachtet schlägt er so ziemlich alle Mitbewerber aus dem Feld. Seinem immer wieder spontan ausbrechenden, gleichermaßen aber auch kontrollierten Temperament entsprechend streben er und die Seinen durchaus nicht bloß eine moderate Steigerung in Richtung Gipfel zu. Dem mitunter einkomponiert scheinenden Bruch zwischen erzählendem Moment und tönendem Ausdruck wird inhaltlich voll entsprochen.
Dazu hat Gustav Kuhn ja in langjähriger Arbeit das Orchester der Tiroler Festspiele Erl zu seinem persönlichen Klangkörper geformt, der ihm wagemutig bis in alle Details der komplexen, übergroß besetzten Partitur hinein folgt. Das Orchester liefert willig alle Nuancen und die Stimmführer gestalten auch solistisch instrumentale Feinheiten förmlich elektrisierend. Die Gewitterszene bricht geradezu niederschmetternd über den Hörer herein. Das so gestaltet großartige Fresko endet dann im Ausklang zur Nacht ebenso magisch beschwörend.
Nicht nur für eingefleischte Kuhn-Fans ein Muss. An diesem auch von der Aufnahmetechnik her erstklassig eingefangenen Live-Mitschnitt aus dem Passionsspielhaus mit seiner hervorragenden Akustik wird kein Strauss-Anhänger in Zukunft vorüber können. Die Bergtour lohnt sich!