Primo uomo der beredten Staccati
CD-KRITIK / MAURICE STEGER
13/12/12 Wie Dolchstöße kommen die Staccati daher oder wie neckische Sticheleien. Sie wirken einmal herausfordernd, dann schmerzhaft, aber sie verbreiten ebenso oft einen Duft köstlicher Gewürzstreusel. – Maurice Steger mit Blockflötenmusik aus dem barocken Neapel.
Von Reinhard Kriechbaum
Das Concerto Nr. 11 in a-Moll von Domenico Sarro (1679-1744) für Blockflöte ist proppenvoll mit Angeboten gerade für solche Staccati, aus denen derzeit vermutlich keiner seines Fachs grandioseren Effekt zu ziehen versteht wie Maurice Steger. Was für eine Eröffnung also für einen Konzertreigen von Sarro über Alessandro und Domenico Scarlatti, Nicola Fiorenza, Francesco Barbella, Francesco Mancini bis zu Leonardo Leo! Warum sind all diese neapolitanischen Meister gerade 1725 auf die Idee zu kommen, sich in scheinbar kollektivem Eifer auf die Blockflöte zu stürzen und für dieses Instrumente Konzerte von höchstem technischen Anspruch und mit einer ansehnlichen Ausdrucks-Bandbreite zu schreiben?
Pikanterweise steckt Quantz dahinter, der einige Monate in der Musik-Hochburg Neapel verbracht hatte, Anregungen aufnahm und eben mit seinem Spiel auf der (damals in Neapel noch nicht recht heimischen) Flute traversière auch Spuren vor Ort hinterließ. Beinahe ein Treppenwitz der Musikgeschichte: Alessandro Scarlatti soll größte Vorbehalte gegen Blasinstrumente gehabt, von Quantz‘ Spiel aber eines Besseren belehrt worden zu sein. Der ältere Scarlatti jedenfalls komponierte ab da für die Blockflöte (Querflötisten von Format gab es damals nicht am Ort). Die Pikanterie also: Jener deutsche Komponist, der uns als Patron der Traversflöte gilt, hat in Neapel indirekt ein Geschwader von Blockflötenwerken in die Luft katapultiert.
Im Wesentlichen schöpft Steger, der Meister der rasenden Läufe und der beredten Staccati, aus einem Manuskript mit 24 Blockflötenkonzerten. Das Konvolut hat sich in der Bibliothek des Konservatoriums San Pietro a Majella (einem von damals vier Konservatorien in der Musikstadt) erhalten. Das ist von der kompositorischen Potenz her alles zumindest so gewichtig wie die Concerti von Vivaldi. Maurice Steger ist der rechte Anwalt dafür: Wüsste man nicht, dass man es hier eigentlich mit Ausgrabungen jüngeren Datums zu tun hat, man wunderte sich mächtig, dass diese Stücke nicht längst zum Kanon der Konzertliteratur für Blockflöte gehören.
Maurice Steger hat sich die richtigen Leute geholt, die seine schier übersprudelnden Ideen flugs aufgreifen und weiterentwickeln: Da ist also die Creme de la creme beisammen, etwa die Geiger Fiorenza de Donatis (Konzertmeisterin der „Barocchisti“) oder Andrea Rognoni, sonst am ersten Pult von „Europa Galante“, wo auch der Bratschist Stefano Marocchi beheimatet ist. Und das geht so weiter bis zu den Zupfinstrumente-Spezialisten Brigitte Gasser und Daniele Caminti und schließlich zur Psalterium-Spielerin Margit Übellacker.
Es gibt eine DVD im Paket: der Schau- zum brillanten Hörstoff…