Salzburgische Weihnachts-Volksmusik, so echt wie nur
CD / VOLKSMUSIK
23/12/11 Man muss sich immer wieder bewusst machen: Die Saitenmusik mit Hackbrett, die wir heutzutage wie selbstverständlich als heimatliches „alpenländisches“ Idiom empfinden, ist in dieser Form eine „Erfindung“ von Tobi Reiser.
Von Reinhard Kriechbaum
Der alte Reiser hat also nicht nur eine Vielzahl von Stücken komponiert, die unterdessen als „echte“ Volkslieder durchgehen, sondern er hat auch im Wesentlichen die Fassung, die Kolorierung, den „Sound“ alpenländischen Musizierens aufs Nachhaltigste mitgeformt. Das zeigt anschaulich, wie sehr auch vermeintlich autochtones Volksgut von starken Einzelpersönlichkeiten modelliert worden ist. Auf der neuen CD „Heut is a ganz b‘sondere Nacht“ mit adventlichen und weihnachtlichen Weisen bestätigt sich das Ensemble Tobi Reiser gleichsam als Lordsiegelbewahrer des Reiser’schen Volksmusikverständnisses, das zu so etwas wie dem schier unverrückbaren Regional-Klangbild geworden ist.
Ein anderer Aspekt im Musizieren des Ensembles Tobi Reiser ist die Verbindung mit der „Salzburger“ (oder wenigstens süddeutsch-österreichischer) Klassik. So fügt sich ins pastoral-musikalische Puzzle dieser CD auch eine Kirchensonate von Mozart, ein Stück von Heinrich Ignaz Franz Biber, die eine oder andere kleinmeisterliche Pastorelle. In dem kunstvoll gesetzten, kantatenhaften Kirchenlied „Schlaf nur fort, o göttlichs Kind“ von Michael Haydn assistiert der Salzburger Dreigesang. Und was Salzburger Hoftrompeter im 16. Jahrhundert als „Aufzug zum Kindlwiegen“ geschmettert haben, ist den Geigen anvertraut.
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft: Die Kollegen vom Salzburger Adventsingen im Festspielhaus haben heuer nicht nur wie üblich einen Mitschnitt ihrer Aufführung herausgebracht, sondern auf einer CD eine zweite Folge der „Schönsten Lieder und Weisen“. Da geben sich jene Ensembles ein Stelldichein, die im Festspielhaus Gesungenes und Gespieltes bestimmen, seit das Ensemble Tobi Reiser, Hausensemble über Jahrzehnte, den Orchestergraben dort im Groll verlassen hat. Was die durchwegs jüngeren Ensembles hören lassen, mag insgesamt geschmeidiger, in Summe doch wesentlich süßlicher klingen – letztlich ist es Geschmackssache, welchem klanglichen Idealbild man nachhängt. Und ganz nahe an Tobi Reiser sind ja die einen wie die anderen.