Musik-Pretiosen und Edelsteine
CD-KRITIK / „THIOS OMILOS“
14/09/11 Eine Karriere wie jene des Tausendsassas Hassler (1546-1612) wäre wenig später in der Geschichte nicht denkbar gewesen: Der Protestant bildete sich in Venedig bei den beiden Gabrieli weiter, wurde dann von den (katholischen) Fugger nach Augsburg verpflichtet.
Von Reinhard Kriechbaum
Vielleicht war Hassler diesen Brötchengebern nicht nur als formidabler Musiker sympathisch, sondern auch deshalb, weil er sich trefflich auf Geldgeschäfte verstand, sich im Pfandleihgeschäft ebenso erfolgreich betätigte wie als Miteigentümer von Kupfer- und Silberbergwerken. Als er später in Nürnberg tätig war, tätigte er für den Habsburger Rudolf II. Edelsteingeschäfte. Ein Multitalent also.
Hasslers „Missa Dixit Maria“ ist fast jedem Kirchenchorsänger geläufig. Die Renaissance war eigentlich schon passé, der strenge Kontrapunkt in der Kirche aber noch üblich und angefragt. Diese Übergangsphase vermitteln die jungen Ex-Thomaner im Männervokalquintett „Thios Omilos“ vortrefflich: wortbezogen, aber ohne rhetorische Hextik setzen sie die Polyphonie um. Mit Augenmaß in der Dynamik vermitteln sie die latenten doppelchörigen Effekte auch bei den um 1600 schon eher „altmodischen“ Meistern Hassler und Gallus.
Eine andere, neue Welt: Johann Hermann Schein, gut eine Generation jünger als Hassler und Gallus, ist auf dieser CD mit Geistlichen Konzerten vertreten: zwei dialogisierende Stimmen, manchmal eine dritte, der die jeweilige Kirchenlied-Melodie anvertraut ist: Damit darf Schein als „Erfinder“ des barocken Choralkonzerts gelten (erstaunlicherweise er und nicht Schütz).
Gambe und Orgel bloß, keine weiteren Klangspielereien im Continuo: Das tut einmal recht wohl und passt gut zur lauteren, in Klangbildung und Phrasierung durchaus leipzigisch-wertkonservativen Wiedergabe durch die jungen Sänger von „Thios Omilos“.