Der "französische Beethoven"
CD-KRITIK / ANDRÉ ONSLOW
03/03/11 André George(s) Louis Onslow gilt heutzutage als vergessen. Dabei zählt er zu den bedeutendsten Komponisten Frankreichs zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der aufkommenden Romantikbewegung.
Von Andreas Vogl
Geboren 1784 in den Wirren der Französischen Revolution, ging er in früher Jugend mit seinen Eltern (sein Vater war ein englischer Adeliger) ins deutsche Exil. Zu seinen Studienvätern zählen vor allem Jan Ladislav Dusik, Anton Reicha und Johann Baptist Cramer. Als Nachfolger von Luigi Cherubini wirkte er an der Akademie der Schönen Künste in Paris.
Seine vier Symphonien gelten als Paradebeispiel französischer Stilistik in diesem Genre und bereiten den Weg zu Hector Berlioz und sogar Camille Saint-Saëns.
Hauptsächlich widmete Onslow sich aber der Kammermusik: allein 36 Streichquartette und 34 Streichquintette schrieb der von der damaligen Presse als „französischer Beethoven“ gefeierte Komponist. Onslow war nach einem Jagdunfall 1829 auf einem Ohr taub und litt an chronischen Kopfschmerzen. In seinem Streichquintett op. 38 („Kugelquintett“) verarbeitete er diesen prägenden Lebensumstand.
Drei Streichquartetten (op. 54, 55 und 56) aus der mittleren Schaffensperiode um 1830 widmet sich das Quatuor Diotima auf seiner neuen CD. Sie stehen in engem Zusammenhang mit Beethovens späten Quartetten op.130 bis 135 und sind sowohl formal-stilistisch als auch in Hinsicht auf ihre Harmonie und chromatische Wendungen wahre Meisterwerke. In der Anlage durchaus klassisch, vermag Onslow den Bogen seiner musikalischen Ausdruckskraft vom Menuett über den innigen, teilweise kühn vertonten langsamen Cantabile-Satz bis zu wild-dramatischen Allegro vivace Finali zu spannen und erreicht dabei oft spätromantische Züge.
Die geniale Umsetzung und Wiederentdeckung der Musik Onlows ist hier vor allem dem französischen Quatuor Diotima zu verdanken, das sowohl solistisch (die einzelnen Quartette sind französischen Interpreten-persönlichkeiten der damaligen Zeit gewidmet) als auch als Streichensemble exquisit, ausgeglichen und dynamisch spielt und ein Hörvergnügen edelster Qualität liefert.
Dem musikalischen Ergebnis mag zu Gute kommen, dass sich das Quartett vorrangig mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzt: Zu hören ist das Quatuor Diotima im Rahmen der Salzburg Biennale am 20. März um 11 Uhr im Solitär des Mozarteums mit Werken von Webern, Schnebel und Schubert.