Auf Italienisch tanzen
CD-KRITIK / LULLY
10/09/10 Dass aus dem Florentiner Lulli ein französischer Lully geworden ist – das steht in jeder biographischen Notiz. Aber wer macht sich schon die Mühe, nachzudenken über die italienischen Wurzeln von Jean-Baptiste Lully?Von Reinhard Kriechbaum
Tatsächlich ist die Sache ja eigenwillig gelaufen: Lully ist blutjung nach Frankreich gekommen, zuerst gar nicht als Musiker, sondern als Page einer Cousine von Ludwig XIV. Seine Aufgabe war, mit der Dame italienisch zu parlieren. Dann erst kam die endgültige Hinwendung zur Musik, wobei Lully die Musik seiner ehemaligen Landsleute über welsche "Gastarbeiter" am französischen Hof kennen lernte. Und die standen ja in hohem Kurs. Für eine Oper von Francesco Cavalli schrieb der junge Lully die Ballett-Teile. Da war er also schon in vorderster Front bei Hofe.
Aus dem wenig geläufigen italienisch "gestylten" Fundus - vieles ist verloren - schöpft diese CD, die mit einem "Ballet de la Raillerie" gleich eingangs das Charakteristische vermittelt: "Ballett" hieß damals ja nicht nur Instrumentalmusik, da waren auch Rezitative und Arien drin. In diesem Fall führen drei allegorische Figuren, Spott, Weisheit und Narrheit, ein alertes Streitgespräch. Französischer Werktitel und italienischer Text, das war nicht außergewöhnlich. In einem Werk mit dem Titel "Ballet de l'Amour malade" sind zwei Arien enthalten, eine in französischer, eine in italienischer Sprache. Wir müssen uns das vielleicht so irgendwie denken wie den Auftritt des "Italienischen Sängers" im "Rosenkavalier": Man war weltläufig am französischen Hof und in Lullys "Ballet des Nations" tauchen eben auch zwei Italiener auf. Die beiden turteln und besingen die das Lachen und die Fröhlichkeit der Jugend.
Eine gute Weile - gut anderthalb Jahrzehnte lang - hat Lully solche Ballette im italienischen Idiom geschrieben, auch in den sechziger und frühen siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts noch, als er mit Molière in Sachen Ballettkomödie zusammenarbeitete (aus der schließlich die französische Oper herauswachsen sollte).
Die Sängerinnen Emanuela Galli, Yetzabel Arias Fernández, Stefanie True finden in diesem Repertoirefeld lohnende und vor allem im Ausdruck sehr verschiedenartige Gesangsstücke vor, von heiterer Tändelei bis zu hochdramatischen und ausdrucksintensiven Szenen. "La Risonanza" unter Fabio Bonizzoni begleitet geschmeidig, und auch in den gustiös, aber unaufdringlich verzierten Instrumentalnummern lassen sie das Unprätentiöse zu Hause sein.