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„Über-Harnoncourt“ in Aktion!

CD-KRITIK / RICCARDO MINASI / ENSEMBLE RESONANZ

23/11/23 Vermag uns abgebrühte heutige Hörer Mozart noch zu verstören? Hängt vom Dirigenten ab. Riccardo Minasi gelingt es fast. Und zwar mit – man ist versucht zu sagen, spielerischer – Leichtigkeit. Nikolaus Harnoncourt und die von ihm exekutierte „Klangrede“ hin oder her:  Minasi übertrifft sie durch seine gestalterisch aus den Noten geschürften Ideen.

Von Horst Reischenböck

Was Mozarts Sinfonien betrifft, zäumt Riccardo Minasi das Pferd gleichsam vom Schwanz her auf. Nach der Trias der legendären letzten Beiträge Mozarts zur Gattung legen er und das Ensemble Resonanz mit der „Linzer“ und Prager“ zwei weitere elektrisierende Sichtweisen vor. Aus Linz schrieb Wolfgang 1783 seinem Vater: „Dienstag als den 4.:ten Novembr werde ich hier im theater academie geben. – und weil ich keine einzige Simphonie bey mir habe, so schreibe ich über hals und kopf an einer Neuen, welche bis dahin fertig seyn muss.“

Hals über Kopf enstanden ist also jene in C-Dur stehende als KV 425 gereihte „Simphonie“: Mit diesem in erstaunlichen drei Tagen (!) zu Papier gebrachten Meisterwerk beginnt eigentlich bereits der Reigen von Mozarts „großen“ Sinfonien. Dass die Linzer noch immer oft nicht in dem ihr zukommenden Maß erkannt wird, rückt Minasi mit seinem Blick darauf nachdrücklich zurecht.

Er überrumpelt durch die französisch scharf punktierten Akkorde der erst danach die Gefühle in Wallung bringen langsamen Einleitung – der ersten aus Wolfgangs Feder. In der Themenaufstellung des Kopsatzes kontrastiert Minasi bewusst dessen Motive, indem er als Kontrast die gesanglichen Elemente durch leichte Ritardandi gedanklich absetzt, ohne indes den großen zusammenhängenden Fluss aus den Augen zu verlieren.

Gleiches lässt er dem lieblichen Andante angedeihen. Mozarts erstem sinfonischem Satz, in dem er Naturtrompeten und Pauken zu dramatischer Steigerung benützte. Nachdem Minasi dem dritten Satz Presto, fast schon Scherzo, jeglichen gedanklichen Anflug eines Tanzsatzes verwehrt, gerät das Finale zum überwältigend virtuosen Triumph aller an der Ausführung Beteiligten.

Gleiches zeigt auch das zwar in Wien entstandene, seines Uraufführungsorts wegen jedoch mit dem Beinamen „Prager“ versehene Schwesterwerk D-Dur KV 504. Sie ist übrigens die erste seiner Sinfonien, in der er allen Sätzen die Sonatenhauptsatzform zugunde legte. Und es ist seine letzte, in der er auf konventionelle Auflockerung durch ein Menuett verzichtete. Theatralisch zugespitzt fliegt das Allegro kämpferisch um die Ohren, grandios fließt das Andante daher, um dann die karnevalesk heiter gelöste Stimmung im Presto umso intensiver auszukosten. Das aus Mitgliedern der Jungen Deutschen Philharmonie hervorgegangene, an der Hamburger Elbphiharmonie beheimatete Ensemble Resonanz folgt Minasi darin blind. Das Resultat – eine Referenzeinspielung!

MOZART SYPHONIES 36 „Linz“ – 38 „Prague“: ENSEMBLE RESONANZ / RICCARDO MINASI harmonia mundi CD HMM 902703     

 

 

 

 

 

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