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Mit Rachmaninoff auf den Klavier-Olymp

HÖRVERGNÜGEN / YUJA WANG

02/11/23 Wie „russisch“ ist Rachmaninoff? Glinka oder Tschaikowsky, Mussorgsky oder Rimsky-Korsakoff sind mit der russischen Folklore und der „russischen Seele“ verbunden. Bei Sergej Rachmaninoff schwingen das amerikanische Exil und ein symphonisch-cineastischer Sound mit. Gerade wieder zeigt sich dieser Spannung in einer Neuaufnahme aller Klavierkonzerte.

Von Andreas Vogl

Rachmaninoff gestaltete seine Solokonzerte für Klavier und Orchester wahrlich als symphonische Klanggemälde. Der Klavierpart ist eingesponnen in satte, üppige orchestrale Zwischenteile, breite Soundgemälde, die dem höchst virtuos gesetzten Soloinstrument einen Teppich bieten, in den die Melodien perfekt integriert sind. Durchaus passt hier der Begriff „Cinemascope“, eigentlich für das breite Bildformat der großen Kinoleinwand gebräuchlich.

Die beiden mittleren Konzerte wurden denn auch von der Filmindustrie in Amerika als Soundtrack von Hollywood Produktionen entdeckt. 1955 etwa der langsame Satz des zweiten Konzertes in Das verflixte siebte Jahr mit Marylin Monroe oder 1996 das gesamte dritte Konzert als Hommage an den schizophrenen Pianisten David Helfgott in Shine. Kann man also Rachmaninoff’s Musik auch „nicht-russisch“ hören? 

Während in den mittleren beiden Konzerten, dem berühmten zweiten (dem op. 18 aus dem Jahr 1901), und dem nicht minder virtuosen dritten (dem op. 30 aus dem Jahr 1909), gerade in den Kopfsätzen viel russische Schwermütigkeit hörbar ist, sind das erste (op. 1 aus 18909 und das vierte, (op. 40 aus 1926) geprägt vom Aufenthalt in Amerika. Rachmaninoff hat zwar das op. 1 mit siebzehn Jahren noch am Moskauer Konservatorium komponiert, es aber dann in den USA deutlich revidiert. Das vierte entstand sowieso in Philadelphia, basiert vermutlich auf Skizzen von 1914, ist aber deutlich amerikanisch inspiriert. Und die Paganini-Variationen op.43 entstanden zwar nicht zur Gänze in den USA, wo sie in Baltimore 1934 uraufgeführt wurden, aber am Vierwaldstätter See, dem Schweizer Exilort und zweiten Heimat Rachmaninoff's in Europa.

Yuja Wang hat nun alle vier Klavierkonzerte sowie die Paganini-Variationen, quasi den Pianisten-Olymp mit allen großen Werken für Klavier und Orchester erklommen und gemeinsam mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra und dessen Chef Gustavo Dudamel in einer Aufnahme bei der Deutschen Grammophon festgehalten. Herausgekommen ist eine hoch virtuose Interpretation, pianistisch von höchster Güte und vergleichbar mit den großen Vorbildern von Rubinstein und Horowitz angefangen bis Volodos und Ashkenazy, sowie Trifonov und Giltburg.

Orchestral ein cinematografischer Sound wie man es sich von einem amerikanischen klassischen Orchester nicht besser vorstellen kann. Und das Dirigat von Dudamel, zu dem man ob seines dirigistischen Könnens bei anderen Werken höchst streitbar stehen kann, zeigt hier ebenso großes Einfühlungsvermögen sowohl mit der befreundeten Pianistin als auch mit seinem Klangkörper.

Dabei hat die Deutsche Grammophon bereits zwei Rachmaninoff-Aufnahmen mit Wang veröffentlicht: seinerzeit aus Luzern das zweite Konzert und die Paganini-Variationen unter Claudio Abbado – ungemein sensibel-ausgewogen und weniger zirzensisch. Und das dritte Konzert, kombiniert mit dem zweiten von Prokofieff, ebenfalls bereits unter Dudamel mit dem Simon Bolivar Orchestra. Hier nun aber stellt sich heraus, dass das amerikanische Orchester und das Temperament Dudamels eine geniale Symbiose mit der Virtuosität Yuja Wangs eingehen weswegen ich hier, nicht leichtfertig, von einer neuen Referenzaufnahme der quasi fünf Konzerte sprechen will - weit weg von Russland, aber auch nicht nur amerikanisch kitschig! 

Übrigens auch auf Vinyl erhältlich.

Sergej Rachmaninoff. Die Klavierkonzerte. Yuja Wang/Gustavo Dudamel/Los Angeles Philharmonic. 2CD 002894864759. 2LP 002894864943
Hören Sie selbst zum Beispiel den dritten Satz aus dem ersten Klavierkonzert hier als Videoausschnitt:
www.klassikakzente.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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