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Sooo tickt das Wienerherz

HÖRVERGNÜGEN / WIENERLIED

31/12/21 Das Wienerlied als lokale Spezifikation der österreichischen Volksmusik gilt zwar als Nischenprogramm, erfreut sich aber einer kleinen feinen Musikerszene, die immer wieder durch Modernisierungs- und Neuinterpretionsansätze von sich hören lässt. – Wie etwa die Philharmonia Schrammeln.

Von Andreas Vogl

Freilich sind Roland Neuwirth und seine Extremschrammeln, die Formation 5/8erl in Ehr’n oder Felix Kramer mit seinen neuen popartigen Songs im Wiener Dialekt weit weg von den weinseligen Heurigenliedern und den musik-kabarettistischen Texten im Wien der Nachkriegsjahre á la Hermann Leopoldi oder Cissy Kraner. Dennoch gibt es ehrgeizige Musikerinnen und Musiker, die die besondere Wiener Musik in all ihren ursprünglichen Facetten erhalten wissen möchten und sich dementsprechend fleißig engagieren. Dazu zählen zum Beispiel Agnes Palmisano, die letzte Wiener Dudlerin („dudeln“ ist die vorwiegend von Frauen praktizierte ost-österreichische Form des Jodelns, dem Richard Strauss in seiner Araballa mit der Figur der Fiakermilli sogar ein Operndenkmal gesetzt wurde) oder auch die Philharmonia Schrammeln, bestehend aus Mitgliedern der Wiener Philharmoniker: Sie bezeichnen sich nach den legendären Gebrüdern Schrammel, welche gleich einer ganzen Musikgattung den berühmten Namen gegeben haben.

Eben jene Philharmonia Schrammeln sind das begleitende Ensemble auf einer neuen Doppel-CD erschienen beim Wiener Traditionslabel Gramola. Der „Gemischte Satz“ (frei nach der Wiener Weinspezialität) beinhaltet ein absolutes Best-of von Wienerischen Liedern um 1900, aus der Zeit der Tonfilme der Zwischen- und Nachkriegszeit und eine Auswahl gesprochener Lyrik von Josef Weinheber bis H C Artmann. Zum Singen und Rezitieren hat man natürlich und gottseidank echte österreichische Originale und „Native-Speaker“ eingeladen. Bassbariton Günther Groissböck als Niederösterreicher, Opernfreunden besonders als Ochs auf Lerchenau bekannt, der Oberösterreichische Tenor Karl-Michael Ebner und Christoph Wagner-Trenkwitz, der waschechte Wiener, Opern-Dramaturg, Prawy-Jünger und Ballkommentator vereinen sich hier zu einer der lohnenswertesten Plattenveröffentlichungen im Bereich Wienerlied seit Jahren.

Insider wissen um den Hintergrund der Entstehung dieser Aufnahme. Als Jonas Kaufmann seine charmante Wien-CD mit den edlen Philharmonikern heraus brachte, wurde diese als zu glatt und eigentlich wenig „echt“ wienerisch kritisiert. Klar, hier galt es aber auch, den internationalen Markt zu bedienen. Anders wollten es die Sängerkollegen Groissböck und Ebner machen und so beschlossen sie, als sie in Berlin gemeinsam in André Hellers Inszenierung des Rosenkavalier auf der Bühne standen, ein Wienerlied-Projekt.

Enthalten sind Duette und Lieder wie Mei Muatterl war a Wienerin des „Hauskomponisten von Wien“ Ludwig Gruber aus 1906, der Narrische  Kastanienbaum, Wenn der Herrgott ned will, Stellts meine Ross in Stall, bekannt geworden vor allem durch Paul Hörbiger oder die sozialkritische Milieudichtung Unser Vater is a Hausherr. Trenkwitz rezitiert unter anderem dea schdrenge herr onkel von Artmann, Das sündige Wien von Trude Marziks und Weinhebers Landpartie. Dazwischen Schrammel Versionen von Wiener Blut, Wien bleibt Wien und die Ring-Quadrille nach Richard Wagner - welch Augenzwinkern!

Wie wertvoll und immer wieder lohnenswert das Kulturgut Wienerlied ist und wie wichtig es scheint, dass es von echten Wienern im Herzen interpretiert und bewahrt wird, daran erinnert man sich gern beim Anhören dieser neuen Aufnahme. Raunzen, Schimpfen, melancholisches Sinnieren und dennoch lebensfrohe Heiterkeit – all das hört man bei Groissböck und seinen Mitmusikern - wie Österreich, respektive Wien, halt is. So lautet auch gleich der erste, direkt ins Ohr gehende Titel von Johann Schrammel auf der CD.– Anmerkung, die Liedtexte wären eine Bereicherung im Booklet gewesen!

Gemischter Satz. Günther Groissböck, Karl-Michael Ebner. Christoph Wagner-Trenkwitz. Philharmonia Schrammeln. Gramola 99243 2CD

 

 

 

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