Altenglisches mit Retro-Charme
CD-KRITIK / TASTO SOLO
11/12/17 Auch attraktive Musik hat sich erst herumsprechen und durchsetzen müssen. Zum Beispiel die englische Literatur fürs Virginal in der beginnenden Tudor-Zeit.
Von Reinhard Kriechbaum
Was auf zwei Notensystemen steht, kann gut auf dem Virginal gespielt werden, aber es sind natürlich auch andere Klangvarianten nicht nur denkbar, sondern auch praktiziert worden. In diese Richtung denkt Guillermo Pèrez, Spezialist auf dem Organetto und Leiter des Ensembles „Tasto Solo“, das hier in Triobesetzung antritt (neben Pérez die Harfenistin Angélique Mauillon und der Clavicymbalum-Spielert David Catalunya).
Also zwei echte Exoten unter dreien. Waren Organetto (das Schoßmodell von Portativ, bei dem die linke Hand den Blasbalg, die rechte die Tasten bedient) und das feine Clavicymbalum denn noch nicht so gut wie ausgestorben zur Zeit Heinrichs VIII.? Guillermo Pérez zitiert im Booklet einige historische Quellen, demnach gab es in den inventaren entsprechende Instrumente und bei Hof auch die Musiker dafür. Pérez begründet dies mit dem historischen Interesse des Königs.
Also „Early Modern Englisch Music“, sprich Renaissance-Klaviermusik zwischen 1500 und 1550, in einem aparten Retro-Klanggewand mit Spätmittelalter-Touch. Sehr reizvoll, weil Tasto Solo die Sache mit Experimentierlust und Neugier angeht. Vor allem in den Grounds, den Variationenfolgen über eine Bassmelodie, bietet das kammermusikalische Aufdröseln in drei Klangfarben reizvolle Abwechslung. Schon Pérez' Organetto mit zwei Oktaven Umfang ermöglicht gefinkelte Duo-Passagen (Melodie gegen Bass), Dieses Instrument mit seinen auffallend kräftigen tieferen Tönen und dem deutlich flötigeren Diskant ist natürlich immer die Pointe.
Der Kollege auf dem silberhell klingenden Clavicymbalum, dem Cembalo-Vorläufer ohne Dämpfungsfilze an den Springern, bleibt natürlich auch nicht dazu verurteilt, alles „tasto solo“ zu spielen. Die Renaissance-Harfe amalgamiert schön mit dem Clavicymbalum, und da die Saiten beider Instrumente nur geringfügig nachklingen, bleibt der Ton luzid auch in bewegten Stücken.