Mozart hat "Oper" gesagt und "Idomeneo" gemeint
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21/01/10 Nikolaus Harnoncort selber führte Regie beim „Idomeneo“ der Styriarte 2008 - gemeinsam mit seinem Sohn Philipp. Auf DVD gibt es neben dem Mittschnitt auch viel spannenden Hintergrund zur Mozart'schen "Totaloper".Von Heidemarie Klabacher
„In diesem einen Stück und keinem weiteren, nie vorher und nie nachher, will ich auch wesentlich am Szenenischen mitarbeiten. Allein kann ich das nicht. Weil ich die Erfahrung nicht habe und weil ich mit der Musik sehr beschäftigt sein werde. Ich mache das gemeinsam mit meinem Sohn Philipp, der sehr wohl die Erfahrung hat. Man kann uns nicht auseinanderdividieren. Wir machen beide die Regie. Wir werden uns - wenn - dann öffentlich streiten.“
Das sagt Nikolaus Harnoncourt auf der DVD zur „Idomeneo“-Produktion der Styriarte 2008 in der Helmut-List-Halle auf dem von Felix Breisach betreuten Bonustrack „Making of Idomeno - Sein erstens Mal“.
Keineswegs zum ersten Mal überrascht Harnoncourt mit seinen anschaulichen Bildern zur Musik: „Stellen Sie sich einen Salzkammergutsee vor. Leichter Wind kommt auf. Ein kleines Säuseln nur. Aber man spürt schon höchste Gefahr …“
Anschaulicher kann man das Aufziehen des Sturms auf See und in den Seelen der Menschen in Mozarts „Idomeneo“ nicht schildern. Ob man es aufregender spielen kann, als der „Concentus“ unter Nikolaus Harnoncourt, wird die heute Freitag (23.1.) beginnende Mozartwoche weisen - da dirigiert Marc Minkowski. Auf der DVD der Styriarte Festival Edition jedenfalls kann man dem Werk in aller Ruhe in seiner musikalischen Vielschichtigkeit nachspüren - und von Harnoncourt einiges lernen.
„Mozart hat sein Herz an diese Oper verloren. Wenn er 'Oper' gesagt hat, hat er immer 'Idomeneo' gemeint. Weil in dieser Oper alles vorkommt.“ Mozarts Lorenzo da Ponte-Opern seien Meisterstücke, Konversationsstücke, aber keine „Totalopern“. „In Idomeneo ist praktisch nichts ausgelassen. Das ist die vielleicht 'totalste', musikalisch reichste Oper, die Mozart je geschrieben hat. Sie passt in kein Schema hinein.“ So Harnoncourt bei den Proben in der Helmut-List-Halle in Graz. „Die Münchner Oper wollte diese Oper von Mozart haben. Sie hatte ein tolles Ballett, einen fantastischen Chor und das bester Orchester der Welt - Bedingungen die es anderswo nicht gegeben hat.“
Mozart selbst habe den „Idomeneo“ auch in Wien auch aufführen wollen. Dennoch könne man nicht von einer „Wiener Fassung“ sprechen, betont Harnoncourt. „Sogenannte Wiener Fassung“ gefalle ihm sehr gut: Aber das sei keine Opernfassung, sondern eine Fassung für eine Konzertaufführung und - „meiner Meinung nach“ - in der Oper überhaupt nicht aufführbar.
„Idomeneo“ sei eigentlich eine französische Oper, nur halt auf Italienisch, weil man am Münchner Hof eben italienische Oper gemacht habe. „Das französische Musikdrama war immer eine Ansammlung aller Künste“. Es gebe Ballett und Instrumentalmusik, weniger Rezitative, bzw. rhythmisierte Rezitative. Zudem habe die französische Oper - wie auch der „Idomeneo“ - einen sehr starken Anteil an Chor, während es in der italienischen Oper bestenfalls einen möglichst einfach komponierten Schluss- oder Huldigungs-Chor gab, „den jeder Kirchenchor vom Blatt singen konnte“.
Zweimal habe Harnoncourt selber bisher den Idomeneo aufgeführt. Heute äußere er sich kritisch zu den damaligen Versionen, die ihn nie befriedigt hätten, weiß der Kommentator im off. „Dreißig Jahre nach seinem ersten Idomeneo-Dirigat“ hab Harnoncourt sich entschlossen, es noch einmal 'richtig' zu machen.
Dazu hätten Nikolaus und Philipp Harnoncourt das Stück auf seine Form untersucht - und vor allem zwei Elemente gefunden: die Aufklärung, das moderne Denken, und das alte beharrende Denken, das auf Angst beruht. Dazu komme das Motiv des Fremden.
„Die Trojaner sind in diesem Werk als besonders hoch stehende Kultur empfunden worden“, sagt Harnoncourt: „Ilia, als Trojanerin, beginnt das Werk.“ Sie sei als Gefangene in Kreta und erschrecke über die Primitivität der kretischen Kultur.“ Ilia erkennt, dass sie dazu erzogen worden ist, alles Griechische zu hassen. Idamante dagegen, „der große Schüler des Arbace“, sei diesem Denken nicht verhaftet. Später komme es zur schönsten Liebesszene, die Mozart je geschrieben hat, „aber zwischen den Vertretern zweier völlig gegensätzlich Kulturen“.