Zwei Konzerte als Repertoirebereicherungen
CD-KRITIK / SALZBURG CHAMBER SOLOISTS
14/12/16 Weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit werkt er vor sich hin: Ernst Ludwig Leitner, Jahrgang 1943. Der Professor an der Universität Mozarteum schafft eine Komposition nach der anderen, wie der Mitschnitt gleich zweier Uraufführungen vom April dieses Jahres beweist.
Von Horst Reischenböck
Komponisten schätzen sich normalerweise glücklich, dürfen sie Werke bereits mit speziellem Blickwinkel auf einen Interpreten und dessen Können konzipieren. In diesem Fall ist es der international renommierte Tiroler Klarinettist Simon Reitmaier, hervorgegangen u. a. aus der Talentschmiede von Alois Brandhofer am Mozarteum. Zwischen Reitmaier und Ernst Ludwig Leitner besteht eine innere Affinität. Das hörte man schon im Solo „Für Simon“, das Reitmaier bereits auf seiner CD „Im Atem der Zeit“ vorstellte. Eine weitere Veröffentlichung, Leitners Klarinettenquintett zusammen mit Schwesterwerken Wolfgang Amadé Mozarts und Max Regers gewidmet, ist für kommendes Jahr angekündigt.
Mit dem Klarinettenkonzert, live mitgeschnitten in der neuen Arlberg 1800 Contemporary Art und Concert Hall in St. Christoph, lieferte Leitner dem Repertoire 2014 einen absolut harmonischen, nichtsdestoweniger gewichtig zu wertenden Beitrag, der den Solisten vom ersten Ton an gut eine halbe Stunde hindurch nahezu in den Fokus rückt. Angefangen von weit gespannten Intervallsprüngen und weiter durch lyrische Kantilenen in den oberen Registern der ersten Viertelstunde des Kopfsatzes hindurch, die dann in erfrischend neckische Kapriolen münden. Auf Wunsch Simon Reitmaiers wurde dies durch kontrastierende Akzente der kleinen Trommel oder auch des übrigen Schlagwerks akzentuiert. Zarte Flageolett-Töne der Streicher steigen von oben in das volle Klangspektrum des langsamen Satzes, über das Reitmaier Triller ausbreitet, ehe sich – auch das ein Wunsch des Interpreten – ein altes Salzburger Volkslied verströmt. Nach derart elegischem Innehalten geht es dann bukolisch in den heiter verspielten Schluss mit Reminiszenzen an das Vorangegange. Eine Orchesterstretta führt dann über Tupfer und kadenzierende Tonleiter des „süßen Hölzls“ in übermütigen Gipfelsieg für Reitmaiers Können.
Ernst gestimmter und auch geringfügig ausgedehnter gibt sich das zweite Werk: Leitners Doppelkonzert für die rare Paarung gleich zweier Violoncelli, im Vorjahr für seine Tochter und ihren israelischen Instrumental-Partner Ofer Canetti entstanden: Gundula Leitner studierte bei Wilfried Tachezi und Clemens Hagen am Mozarteum, spielte sowohl bei den Wiener Philharmonikern wie im Staatsopernorchester und ist derzeit Solocellistin an Brüssels Opernhaus La Monnaie. Nach dramatischem Beginn kommt allerdings vorerst, wie auch im weiteren Verlauf, die Celesta in Händen von Schwester Bettina Leitner zum Einsatz. Erst dann vereinen sich beide Celli zu gemeinsamer Attacke gegen die mehrheitlich Pauken bestimmt engagierten Salzburg Chamber Soloists unter Leitung von Lavard Skou Larsen. Eine Tour de force für die Solisten. Der wenig ruhige Binnensatz mit seinem geheimnisvoll wisperndem Einstieg lässt zuletzt die Celesta Jan Pieter Sweelinks „Mein junges Leben hat ein End“ zitieren: Ernst Ludwig Leitner als Organist wohl vertraut.
Stürmisch bewegt hebt dann das Finale an, in dem beide Celli nochmals miteinander verschmelzen, um ihre klanglichen Komponenten in der Kadenz inmitten saftig gegeneinander auszureizen.