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Ein Foul an Salieri

MOZARTWOCHE / CHAMBER ORCHESTRA OF EUROPE

02/02/24 Wenn in einem mit zwei Stunden vierzig Minuten überlangen Konzert drei ausgewachsene Klavierkonzerte angesetzt sind, dann darf man davon ausgehen, dass der Klaviersolist – Kirill Gerstein – das Programm maßgeblich bestimmt hat. Offene Frage am Donnerstag (1.2.) im Großen Saal des Mozarteums: Was hat er sich dabei gedacht?

Von Reinhard Kriechbaum

Antonio Salieris Klavierkonzert B-Dur von 1773 (da war er 23 Jahre alt) ist eh ein hübsches Stück. Es gibt Belangloseres aus der Frühklassik. Aber Anfang der 1770er Jahre war gerade viel los in der musikalischen Welt. Die komponierende Kollegenschaft war erfasst vom „Sturm und Drang“. Nichts davon in diesem Konzert, das nur als (reichlich lange) Petitesse durchgeht. Gerade dieses Stück dann mit Mozarts Klavierkonzert in d-Moll KV 466, einem der Meilensteine in der Entwicklung der Gattung, zu konfrontieren – das ist ein gar arges Foul an Salieri, um dessen Rehabilitierung es in dieser Mozartwoche eigentlich geht.

Es lag an diesem Abend mit dem Chamber Orchestra of Europe und Kirill Gerstein aber grundsätzlich einiges im Argen. Die Chemie zwischen Orchester und Solist hat einfach nicht gepasst. Aus dem Salieri-Konzert könnten gewiefte Klangredner das eine oder andere liebenswerte Detail herauskitzeln. In Mozarts d-Moll-Konzert schlug die Stunde der Wahrheit: Da war ganz wenig gestalterisch wirklich Griffiges in Gersteins alertem Spiel, an dem sich die Partner hätten anhalten können. Und dem Solisten muss man ins Stammbuch schreiben: Es genügt nicht, gelegentlich vom Stockerl aufzustehen und mit dem Orchester den Takt mitzuschlagen.

Es dürfte im Orchester schon mysteriös-bedrohlich brodeln im Hauptthema des Kopfsatzes. Gar hilflos wirkte die Hinführung zur Reprise. Im dramatischeren Abschnitt des Mittelsatzes haben sogar die Holzbläser das Klavier zugedeckt, wenig klangliche Abstimmung also. Es war Kirill Gersteins Debüt bei der Mozartwoche, und man hat sich gefragt: Wozu, wenn einer so gar nichts anzubieten hat in Sachen Mozart? Beethoven – am Ende stand dessen Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19 – ist Gerstein entschieden näher, aber man muss auch sagen: In diesem Stück drängen sich die Dialoge ohnedies auf.

Viel überzeugender jedenfalls an dem Abend die Beiträge des Chamber Orchestra of Europe: Einnehmend eingangs das trotz viel Brio sehr feine Streicher-Piano, das den Holzbläsersatz von Mozarts Cosi fan tutte-Ouvertüre gut hat herauskommen lassen. Sehr effektiv ausgereizt das dramatische Potential von Beethovens Coriolan-Ouvertüre op. 62. Auch da wusste die Konzertmeisterin Maria Wloszczowska mit wacher Beteiligung der Stimmführer klug die Lyrik einzubinden. Bestes Teamwork.

Der Clou aber waren an dem Abend Antonio Salieris 26 Variationen über La folia di Spagna aus dem Jahr 1815. Es ist eines seiner letzten Orchesterwerke, und am Beispiel dieses Gassenhauer-Themas hat 65jährige Salieri so etwas wie ein ungemein g'spaßig klingendes Instrumentations-Lehrwerk dieser Epoche niedergeschrieben. Da schnattern die Holzbläser bald einmal vorlaut ins Figurenwerk der Geigen hinein, federn gleich darauf die Springbögen und darf sich die Solovioline zum munteren Pizzicato der Kolleginnen und Kollegen produzieren. Die Harfe meldet sich mehrmals nachhaltig zu Wort. Posaunen und Pauken bauen eine unerwartet dramatische Stimmung auf, was die Soloflöte indes keck unterläuft. Besonders wirkungsvoll ist eine Themen-Zerstäubung von Flöte und Fagott mit Pauken-Akzenten. Das geht also in 26 Kurz-Episoden so dahin, voller Überraschungen, mal liebenswert-delikat, mal bizarr-karikierend. Zuletzt haben auch zwei Naturtrompeten einen markanten Auftritt. Salieri hatte Humor und wusste seine Zuhörerschaft zum Lachen zu bringen. Funktioniert, wie man sah, immer noch blendend. Das wäre ein gutes Schlussstück gewesen.

Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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