Der Weg zu den Nicht-Privilegierten
LITERATURHAUS / BUCHPRÄSENTATION / HANS HÖLLER
22/10/13 Peter Handke und sozialkritische Fragen? Der Zusammenhängt drängt sich nicht jedem Leser sofort auf. Hans Höller hat im Werk Peter Handkes gestöbert – und stellt heute Dienstag (22.10.) im Literaturhaus Salzburg seine neue Studie vor.
Von Heidemarie Klabacher
„Eine ungewöhnliche Klassik nach 1945” heißt das neue Buch zum Werk Peter Handkes: Es Hans Höller darum, Peter Handkes Sinn für Arbeit und menschliche Würde zu beleuchten. Denn gerade dieser Sinn für „Arbeit und menschliche Würde“ bilde das Zentrum von Peter Handkes „Idee des Klassischen“. Und unter diesem Gesichtspunkt lasse sich Handkes Werk „neu entdecken“: So heißt es in der Aussendung des Literaturforums Leselampe, die zusammen mit dem Fachbereich Germanistik zur Buchpräsentation einlädt.
„In der lebensbedrohenden Schreibkrise der späten siebziger Jahre wurden für Handke die Wiedergewinnung der Sprache und die Verbindung zur Tradition zu einer Frage des Überlebens.“ Hans Höller zeichnet diese verborgene oder offen zutage liegende literarische Verwandlung der Tradition im Werk Handkes nach. Das Novum von Handkes Werk gegenüber der Weimarer Klassik liege darin, so Höller, „dass er das dort unterbelichtete Soziale ins Spiel bringt, literarisch den Weg nach unten geht, zu den Nicht-Privilegierten“; das Neue bestehe weiters auch darin, „dass Handke die Sprengkraft der Materialität der Triebe verteidigt und die mediale Dimension der Sprache mitdenkt“.
Handkes Bücher werden als immer neue Variante von Hölderlins „Komm, ins Offene, Freund“, gelesen, meint Hans Höller: „Als die schönste literarisch-philosophische Wendung gegen die Weltkrankheit der Depression“. Darum findet man in diesem Handke-Buch auch „heitere Studien zu Flüssen, Bergen, Wolken, zu den Spatzen und zum Himmel, dem Licht und den Farben, den Geräuschen und Naturlauten, dem Schnee, den Gasthäusern und Gärten“. In den Blick genommen wird aber auch das „terrain vague“, die „prekäre Zwickelwelt zwischen den Straßen, Eisenbahnlinien oder den Busbahnhöfen und Vorortkaschemmen“.
Nicht zuletzt gehe es in diesen Studien „um Handkes Sinn für Arbeit und menschliche Würde, der das Zentrum seiner Idee des Klassischen bildet und sein Werk in ungewöhnlichen sozialkritischen Zusammenhängen neu entdecken lässt“.
Hans Höller, geb. 1947 in Vöcklabruck, ist Professor em. für Germanistik der Universität Salzburg, Verfasser zahlreicher Bücher zur zeitgenössischen Literatur, zu Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Peter Handke, Mitherausgeber der Thomas-Bernhard-Werkausgabe und der Jean-Améry-Ausgabe. Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag „Ingeborg Bachmann: Kriegstagebuch“ (2010) und eben ganz aktuell „Eine ungewöhnliche Klassik nach 1945. Das Werk Peter Handkes“.