„Ja, blutig ist der Ernst, gespitzt der Stift“
HINTERGRUND / DEUTSCHER BUCHPREIS / URSULA KRECHEL / JUNG UND JUNG
09/10/12 „Ursula Krechel erzählt in ihrem Roman ‚Landgericht’ die Lebensverwicklung des aus dem Exil zurückkehrenden Richters Richard Kornitzer. Er ist vom Glauben an Recht und Rechtsstaatlichkeit durchdrungen und zerbricht, als er in der Enge Nachkriegsdeutschlands den Kampf um die Wiederherstellung seiner Würde verliert.“
Von Heidemarie Klabacher
Das schreibt die Jury über den Roman „Landgericht“ – für den Ursula Krechel gestern Montag (8.10.) im Frankfurter „Römer“ den Deutschen Buchpreis 2012 erhalten hat. „Landgericht“ ist im Salzburger Verlag Jung und Jung erschienen. „Die Sprache des Romans oszilliert zwischen Erzählung, Dokumentation, Essay und Analyse. Bald poetisch, bald lakonisch, zeichnet Krechel präzise ihr Bild der frühen Bundesrepublik – von der Architektur über die Lebensformen bis hinein in die Widersprüche der Familienpsychologie. Landgericht ist ein bewegender, politisch akuter, in seiner Anmutung bewundernswert kühler und moderner Roman." So begründen die sieben Jury-Mitglieder ihre Wahl.
„Landgericht“ ist im Verlag Jung und Jung erschienen - in einer Auflage von 20.000 Stück. Jetzt wird das Buch 60.000 Mal nachgedruckt, so der Verleger Jochen Jung. Es ist den Trubel um Neuauflage, Nachdruck, Interviews und Presseanfragen und heißlaufende Telefone im Verlag ja schon gewohnt: Erst 2010 hat die Jung und Jung-Autorin Melinda Nadj Abonji den Deutschen Buchpreis erhalten. Sie erzählt in ihrem Roman „Tauben fliegen auf“ von den Erfahrungen einer ungarischen Familie aus Serbien in der Schweiz. - Ganz abgesehen vom Roman „Das dunkle Schiff“ von Sherko Fatah, ebenfalls aus dem Hause Jung und Jung, der es im Jahr 2008 in die Final-Runde des Deutschen Buchpreises geschafft hat und der von einem Gotteskrieger in Deutschland erzählt. Und weiters abgesehen vom grandiosen Ludwig Fels, der mit seinem bei Jung und Jung erschienen Liebesroman an einem Lebensende „Reise zum Mittelpunkt des Herzens“ im Jahr 2006 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis gestanden ist.
Man mag über Sinn und Unsinn der Vergabe dieses Literaturpreises denken wie man will, spekulieren, ob sie mehr sein kann, als nur eine Marketingmaßnahme des Deutschen Buchhandels zur Verkaufsförderung. In Salzburg scheint jedenfalls ein Verleger zu sitzen, der die richtigen Autoren mit den richtigen Büchern an sich zu binden weiß. Ein richtiger „Pool“ für potentielle Buchpreisträger?
„Landgericht“ ist nicht der erste Roman von Ursula Krechel, der bei Jung und Jung erschienen ist. Noch immer in faarbkräftigster Erinnerung ist ihr Roman „Shanghai – fern von wo“, erschienen 2008, in dem Krechel vom Schicksal deutscher jüdischer Emigranten erzählt, die auf der Flucht von den Nazis Exil in Shanghai finden. („Landgericht“ könnte man im weitesten Sinne wohl als „Fortsetzung“ bezeichnen, schlägt Krechel mit ihrem Blick auf die Wirtschaftswunder- und Wiederaufbauzeit doch das anschließende Kapitel im Buch deutscher Geschichte auf.) Der wunderschöne Titel über diesem Artikel ist die erste Zeile aus dem Gedicht „Artmann, Artista (1921-2000)“ von Ursula Krechel. Zu finden ist diese Hommage im Gedichtband „Jäh erhellte Dunkelheit“, der 2010 erschienen ist. Bei Jung und Jung natürlich.