Was ist Wahrheit?
RAURISER LITERATURTAGE / RESUMEE
27/03/12 „Die Erfindung der Wahrheit“ war das Motto der 42. Rauriser Literaturtage. Unternommen wurde der Versuch, „Wahrheit“ zu beleuchten, um sie an der Oberfläche besser erkennen zu können.
Von Peter Pohn
Einen äußerst wertvollen Beitrag zum Thema „Wahrheit“ können etwa jene Literaten leisten, die von ihren Erfahrungen aus dem Leben in Diktaturen erzählen: Ihre Arbeit hat ihnen den Glauben an einen demokratischeren „Heimat“-Staat bewahrt. Literatur kann tatsächlich nicht nur als Augenblicks-Phänomen gelten, sondern auch als ein Mittel gegen kurzsichtige Meinungen, welches vom Publikum begeistert angenommen wird. So gelingt es etwa Jurij Andruchowytsch aus der Ukraine immer wieder, in seiner Heimat ganze Fußballstadien zu füllen, wenn er literarische Texte in Lieder verpackt. Begleitet wird er dabei von einer Rock-Band.
Eine solche Ausweitung des Programms mit verwandten Künsten wie der Musik (die es in Rauris ja immer wieder gegeben hat) oder der Malerei könnte daher auch für die Rauriser Literaturtage ein Thema sein, um das Angebot noch attraktiver zu gestalten.
Was also ist Wahrheit? Der Salzburger Autor, Journalist, Essayist und Zeitkritiker Karl-Markus Gauß setzt sich vor den Fernseher, schreibt die in Nachrichten und Magazinen seiner Meinung nach vorgegaukelte Wirklichkeit auf und kommentiert sie. Sein Buch „Ruhm am Nachmittag“ kann als Sammelband seiner Kommentare gesehen werden, die zu neuen Wirklichkeiten geformt worden sind. Die Autorin Monika Helfer lädt die Leser ein, gedankliche Leerstellen selbst aufzufüllen: Hier wird die Wirklichkeit der Autorin mit jener der Leserschaft ergänzt. Die ladinische Schriftstellerin Roberta Dapunt dagegen, die als Bäuerin einen harten Alltag zu bewältigen hat und die bäuerliche Kultur ins Zentrum ihrer literarischen Arbeit stellt, spricht von einer „Wahrheit des Handelns“.
Seit 42 Jahren also pilgern Literaturfreunde nach Rauris. In den letzten 22 Jahren hat Brita Steinwendtner die Veranstaltung organisiert und geleitet. Ein würdiges Thema hat sie zum Schluss ihrer Intendanz angesprochen, der Versuch einer Annäherung an das Thema „Wahrheit“ bestimmte ihr letztes „Rauris“. „Die Rauriser Literaturtage sind für mich zu einem Stück des Lebens geworden.“ Für sie seien die Literaturtage „ein Konglomerat, bestehend aus Menschen, die aneinander und zueinander gewachsen sind“. Brita Steinwendtner hat es erreicht, Jahr für Jahr spannende originelle Themen vorzugeben. Darüber hinaus brillierte die Literaturvermittlerin und Autorin dank glänzender Literaturkenntnisse und geschliffener Rhetorik als Moderatorin vieler Lesungen.
Man lernt von den Worten der Autoren und spürt, wie einen die Literatur weiterbringen oder zum kritischen Beobachten anhalten kann: Literatur im Bündnis mit der Raurisgemeinschaft zu erleben ist ein wunderbares Gefühl. Rauris wurde seinem Ruf als „Literatur-Nahversorger“ oder „Literatur-Kurort“ einmal mehr gerecht.
Doch so vielfältig das Programm, so ausgewogen die Balance zwischen "bekannten" und noch "zu entdeckenden" Autoren auch heuer wieder war: Schön langsam wäre es an der Zeit, auch über neue Formen der Literatur-„Verteilung“ nachzudenken, die mehr jüngere Zuhörer nach Rauris bringen könnten. Junge Leute waren - abgesehen von den Studierenden der Universitäten Salzburg, Wien, Klagenfurt und Innsbruck - in der Minderheit.
Nun liegt es jedenfalls an den neuen Rauris-Intendanten Ines Schütz und Manfred Mittermayer, mit eigenen Ideen in den großen Fußstapfen ihrer Vorgängerin Brita Steinwendtner laufen zu lernen.
Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris wieder Studierende von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung "Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2012)" am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.