Zuhause in der Literatur
RAURISER LITERATURTAGE / ERÖFFNUNG
22/03/12 „Ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden, nur auf meinem slowenischen hinke ich von Zeit zu Zeit“. Das sagte die Slowenisch und Deutsch schreibende Autorin Maja Haderlap, die für ihr Romandebüt „Engel des Vergessens“ den Rauriser Literaturpreis 2012 erhalten hat.
Von Stephanie Binder und Juliane Köhler
„Ich fühle mich als die Angestellte meines Buches und bin glücklich darüber.“ Bei der Eröffnung der 42. Rauriser Literaturtage am Mittwoch (21.3.) stimmte die Preisträgerin mit ihren berührenden Worten auf die literarischen Hörgenüsse der kommenden Tage ein. Wie jedes Jahr, fand sich auch heuer eine Vielzahl von interessierten Zuhörern in den Räumen des Gasthofs Grimming ein, um Literatur zu feiern.
Passend zur freudigen und gespannten Stimmung der Besucher: die musikalische Eröffnung durch die junge Tauernbrass-Band. Der Rauriser Bürgermeister Robert Reiter begrüßte die Gäste, darunter jene namhaften Autorinnen und Autoren, die ihre Werke in den folgenden Tagen unter der Leuchtschrift „Die Erfindung der Wahrheit“ vorstellen werden: „Denn“, so Robert Reiter, „um es mit Ingeborg Bachmanns Worten zu sagen: ‚Wahrheit ist den Menschen zumutbar’.“ Brita Steinwendtner, die die Leitung der Rauriser Literaturtage nach 22 Jahren in die Hände von Ines Schütz und Manfred Mittermayer legt, sprach in ihrer gedichtgleichen Rede von Literatur, „die uns aus dem Alltag heraushebt und doch stets aus unserem Leben spricht“.
Ein Vergleich, ganz im Sinne von Maja Haderlaps Roman „Engel des Vergessens“, für den die fünfzigjährige Autorin aus dem Grenzgebiet zwischen Kärnten und Slowenien mit dem Rauriser Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Im Trubel der Eröffnung wirkte die zurückhaltende, beinah verträumt wirkende Schriftstellerin wie ein Ruhepol, der zur Besinnung lädt.
Den Preis überreichte LHStv. David Brenner, für den Rauris eine „Literaturkur“ darstelle - worin ihm die Zuhörer durchaus zustimmen konnten.
Wie wurde der Roman Haderlaps, der von der Geschichte der Slowenischen Minderheit in Kärnten erzählt, in Kärnten aufgenommen? Wie schafft es die Schriftstellerin, sich nicht vom politischen Kalkül vereinnahmen zu lassen? Diesen spannenden Fragen ging Arno Rußegger in seiner Laudatio nach. Er bewegte mit einer Anspielung auf Peter Handke, als er die Wirkung von „Engel des Vergessens“ als Ruck, der durch das Land gehe, beschrieb.
Die slowenischen und deutschen Worte Haderlaps wussten das Publikum für Minuten in große Stille zu versetzen, als sie – nüchtern und poetisch zugleich – vom Roman „Engel des Vergessens“ sprach und - fast einer Rechtfertigung nahe kommend – ihre Wahl für die deutsche Sprache begründete: „Ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden, nur auf meinem slowenischen hinke ich von Zeit zu Zeit“. Wenn Maja Haderlap über ihren Roman spricht, öffnen sich dem Zuhörer versteckte Türen in die Vergangenheit, die immer auch die Gegenwart bedeuten.
Bewegende Begegnungen
Wir Studierenden hatten heute Donnerstag (22.3.), am Tag 2 der Rauriser Literaturtage 2012, als „Studentischer Arbeitskreis“ die Ehre, Maja Haderlap über all das auszufragen, was uns bei der Lektüre noch fremd geblieben, was uns verschreckt, was uns zum Lachen gebracht hat: Mit Humor und klaren Worten versteht es Haderlap zu antworten, ohne dem Leser jedes Geheimnis zu nehmen. Auf die Frage, welche Adressaten die Schriftstellerin ansprechen möchte, erzählt sie uns „vom Schreiben aus eigener Notwendigkeit heraus“, „vom Schreiben für sich selbst“.
Auch Karl-Markus Gauß, der uns Studierenden ebenfalls Rede und Antwort stand, sieht das Schreiben für sich als persönliche Notwendigkeit: „Wenn ich nicht schreibe, verblöde ich“, behauptet er. Er finde seine „besten Ideen erst im Schreibakt selbst“. Im Handgepäck hatte der renommierte Schriftsteller diesmal einen „neuen Gauß“: „Ruhm am Nachmittag“ schenke ihm durch seine freie Form alle Möglichkeiten, „den literarischen Spielraum auszuschöpfen“.
Die 42. Rauriser Literaturtage sind auf dem viel versprechenden Weg, erneut das zu werden, was sie im vergangenen Jahr für Peter Stefan Jungk waren, der Rauris mit den Worten verließ: „Ich habe keinen einzigen Autor gekannt, als ich kam, und fahre mit einem Dutzend Freunde wieder nach Hause“.
Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris wieder Studierende von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung "Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2012)" am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.