Für jeden Schmerz eine Glut
RAURISER LITERATURTAGE
20/03/12 „In den Büchern, die ich lese, bleiben die Körper der Menschen unversehrt, fahren mit seligem Ausdruck in den Himmel oder werden im Sturz aufgefangen. Im Gegensatz dazu werden, wie mir schlagartig bewusst wird, in unseren Gräben die Körper von jeher vernichtet, zerstört als Mahnung für diejenigen, die übrig bleiben.“
Von Heidemarie Klabacher
Das schreibt Maja Haderlap in ihrem Roman „Engel des Vergessens“, für den sie den Rauriser Literaturpreis 2012 erhält. Die Rauriser Literaturtage - 21. bis 25. März – werden morgen Mittwoch (21.3.) mit der Verleihung des Rauriser Literaturpreises eröffnet.
Maja Haderlap ist als Lyrikerin mit ihren auf slowenischen und deutsch geschriebenen Gedichten und als Übersetzerin aus dem Slowenischen bekannt geworden. „Engel des Vergessens“ ist das Romandebüt der 1961 in Eisenkappel/Železna Kapla geborenen österreichischen Autorin. Sie erzählt die Geschichte eines Mädchens, dass zwischen den Sprachen Slowenisch und Deutsch ihre eigene Sprache finden muss – und das aus den Erinnerungen von Großmutter, Eltern und Nachbarn langsam die Geschichte der blutigen Verfolgung der slowenischen Minderheit begreift.
Im Vorjahr wurde Maja Haderlap für Auszüge aus dem Roman mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Morgen Mittwoch (21.3.) erhält Maja Haderlap für „Engel des Vergessens“ den Rauriser Literaturpreis für die beste Prosaerstveröffentlichung. Der mit 8000 Euro dotierte Rauriser Literaturpreis wird vom Land Salzburg vergeben. Den Rauriser Förderungspreis 2012, dotiert mit 4000 Euro, erhält Elke Lazina für ihre „Rede an mich selbst“. Der Förderungspreis wird von Land Salzburg und Gemeinde Rauris vergeben.
„Die Erfindung der Wahrheit“ ist das Motto der Rauriser Literaturtage 2012, des letzten von Brita Steinwendtner verantworteten Festivals – dessen Intendanz Ines Schütz und Manfred Mittermayer übernehmen.
Karl-Markus Gauss, der einen „neuen Gauss“ nach Rauris mitbringen wird, Monika Helfer, Peter Stamm und die ladinisch schreibende Autorin und Bäuerin Roberta Dapunt sind die Autoren am Donnerstag (22.3.). Die „Rauris Mitternacht“ bestreiten die Verlegerin und Lyrikerin Daniela Seel, Gerhard Ruiss, der die Gedichte Oswald von Wolkensteins in heutiges Deutsch übertragen hat, und Studierende der Uni Klagenfurt, die dem verstorbenen Gert Jonke Referenz erweisen.
Am Freitag (23.3.) sind Sibylle Lewitscharoff, Patrick Roth, der in Zagreb geborene und in Berlin lebende Autor Nicol Ljubic und Nora Gomringer zu Gast. Das „Gespräch über Kindheit“ am Samstag (24.3.) führen Sibylle Lewitscharoff, Jury Andruchówytsch und der in Ptuj in Slowenien geborene Autor Ales Steger mit Brita Steinwendtner.
Die drei Hauptabende - Donnerstag, Freitag und Samstag - werden von „drei pronouncierten Denkern“ eingeleitet und begleitet: „Der Literaturwissenschaftler Manfred Mittermayer, einer meiner beiden Nachfolger, der Theologe Clemens Sedmak und der Philosoph Heinrich Schmidinger werden über das Thema aus der Sicht ihrer Fachbereiche nachdenken“, so Brita Steinwendtner. Abgeschlossen wird jeder Abend mit einem Lyrikprogramm.
Ein kleiner „Auswärts“-Schwerpunkt habe sich quasi von selbst ergeben: China stehe in Politik und Wirtschaft derzeit so im Mittelpunkt, dass sie es für dringend nötig gehalten habe, auch einmal einen Gast aus China nach Rauris zu holen, sagte Brita Steinwendtner. In Rauris zu Gast ist also Wang Jiaxin, ein namhafter Lyriker, Literaturwissenschaftler und kritischer Geist, „der dennoch von seiner eigenen Regierung schon Preise erhalten hat“. Von ihm ist in der Edition Thanhäuser ein Gedichtband erschienen. Ebenfalls in Rauris zu Gast ist der Autor und Sinologe Wolfgang Kubin, „einer der renommiertesten Vermittler zwischen westlicher und chinesischer Kultur und Literatur“. Christoph Ransmayr wird, ebenfalls am Samstag (24.3.), aus seinen frühen Essays „Wege nach Surabaya“ und aus seinem noch unveröffentlichten neuen Roman „Atlas eines ängstlichen Menschen“ lesen.
Die Studentischen Arbeitskreise, bei denen Studierende aus Salzburg, Wien und Klagenfurt mit den Autorinnen und Autoren ins Gespräch kommen, finden an den Vormittagen statt. Das Rauriser Schulprojekt wird heuer bereits am Donnerstag präsentiert, am Sonntagvormittag Brita Steinwendtners Film-Dokumentation „40 Jahre Rauriser Literaturtage“.