Freundliche Übernahme
HINTERGRUND / JUNG UND JUNG
28/01/22 Oktopus und Atlantis... Sturmhöhe und Maigret... Gern nimmt man die bunten Prospekte in die Hand – und stößt beim fünften Heft auf vertrautes Design: Der Züricher Kampa Verlag hat den Salzburger Jung und Jung Verlag übernommen. Sonst aber wird – Mitarbeiter:innen, Programmarbeit, Firmensitz – in Salzburg „alles so bleiben, wie es geworden ist“.
Von Heidemarie Klabacher
„Auch im Kampa-Frühjahrspaket: die Vorschau des Jung und Jung Verlags, der seit seiner Gründung im Jahr 2000 durch Jochen Jung literarisch weit über die Grenzen Österreichs hinausstrahlt“, schreibt Daniel Kampa im Editorial und verwendet ein – in der Formulierungskunst fragwürdiges – immerhin aber aus der FAZ stammendes Lob: Man freue sich bei Kampa auf die Zusammenarbeit mit diesem Verlag, „der immer wieder ein irres Talent für das Entdecken neuer Talente hat“.
Die „Übernahme“ ist unaufgeregt und still vor sich gegangen, war alles andere als eine „feindliche“. Im Gegenteil. „Wenn man als Literaturverlag zweimal im Jahr ein Programm zusammenstellt, ist die Auswahl nicht nur von den Wünschen bestimmbar. Es kommt einfach auch darauf an, welche Werke rechtzeitig fertig werden und sich mit dem übrigen Programm gut vertragen“, schreibt Jochen Jung in seinem Editorial.
Im Frühjahrsprogramm 2022 sei dies „auf begeisternde Art gelungen“. Geben wird es Neues von Peter Handke, Ursula Krechel oder Dagmar Leupold. „Dass diese eindrucksvollen Bücher gerade dann erscheinen, wenn ich meine Arbeit als Literaturverleger aus Altersgründen abgeben muss, macht mir den Abschied leichter, ebenso wie die Tatsache, dass der erfolgreiche und literaturfreudige Kollege Daniel Kampa 2022 den Verlag übernehmen wird.“ Ab gesehen davon werde – Mitarbeiter:innen, Programmarbeit, Firmensitz – in Salzburg „alles so bleiben, wie es geworden ist“.
Anna Jung, zuletzt verantwortlich für die Pressearbeit bei Jung und Jung, wollte den Verlag nicht übernehmen. Ihr „war das damit verbundene Risiko, also die Selbstständigkeit, als Alleinerziehende, zu groß“, wird die Tochter des Verlegers von Michael Wurmitzer im STANDARD zitiert: „Verantwortungsgefühl dem Verlag und seinen Autoren gegenüber habe sie aber auf die Idee gebracht, nach einem Kooperationspartner oder einem Dach zu suchen. Der Vorschlag, auf Daniel Kampa zuzugehen, stammt von ihr.“
Sie habe sich, so Anna Jung im STANDARD, zunächst nach größeren Verlagen umgeschaut: „Ich wollte den Verlag ja nicht verschenken, das muss sich jemand leisten können“ Der Schweizer Verlag kann sich den kleinen österreichischen Verlag leisten. Nicht zuletzt, weil er „neben anspruchsvoller Literatur auch Krimis führt“.
Und zwar nicht wenige. „Kampa Red Eye“ heißt die Schiene, die – nach Eigeneinschätzung – „sicher schönste Krimireihe der Welt“. Reihenweise Krimis von Michael Connelly, Carlo Feber, Matthias Wittekindt oder Alex Lépic mit stylisch altmodischem Cover und effektvollem Rotschnitt lassen allein vom Anschauen jeden Krimifan Blut lecken. Landkrimis, etwa aus dem Tessin, gibt es auch. Wer's klassisch will findet dazu George Simenons Maigret, ebenfalls reihenweise, oder Mario Puzos Paten.
In der Reihe Kampa Pocket – Für immer und ewig erblättert man mit – unglaublich großem Vergnügen – dann auch noch Klassikerinnen wie Virginia Woolf mit Orlando oder Emily Bronte mit Sturmhöhe: Das sind die Lieblingsbücher von Tilda Swinton und Patti Smith, die jeweils auch ein Vorwort verfasst haben. Diese Reihe erinnert wiederum an Jochen Jung: In seinem Verlagsprogramm tauchten sie zwar nicht als explizite „Reihe“ mit einheitlichem Cover auf. Aber die Liste der über die Jahre angesammelten Klassiker umfasst Namen wie Defoe, Hawthorne, Henry James, Melville, Stevenson, Thoreau oder Yeats. Von Stifter oder Goethe, Musil oder Raabe ganz zu schweigen.
Virgina Woolf ist in der Für immer und ewig-Reihe übrigens gleich zweimal vertreten Wie sollte man ein Buch lesen ist das Lieblingsbuch der kanadischen Autorin Sheila Heti. Und wie sollte man nun ein Buch lesen? Was sagt die Woolf? „Tatsächlich ist der einzige Rat, den ein Mensch einem anderen zum Lesen geben kann, der, auf jeden Rat zu verzichten und dem eigenen Instinkt zu folgen, ein eigenen Verstand zu benutzen, zu eigenen Schlussfolgerungen zu kommen.“
jungundjung.at - das aktuelle Programm hier zum Blättern - kampaverlag.ch