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Wenn ich mir was wünschen dürfte

LESEPROBE / DIE SALZBURGER FESTSPIELE

18/07/14 Seit 1991 begleitet der Journalist Manuel Brug – als Rezensent für Zeitungen wie „Süddeutsche“, „Tagespiegel“, „Opernwelt“ oder „Welt“ - die Festspiele. Im Buch „Die Salzburger Festspiele. Ihre Bedeutung für die europäische Festspielkultur und ihr Publikum“ hat er einen Katalog von 25 Wünschen entworfen. - Eine Leseprobe aus dem bei Pustet erschienenen Tagungsband. Es versammelt die Vorträge, die beim Symposion „Festspiele der Zukunft II“ Mitte Jänner 2014 gehalten wurden. Diese Tagung hat Michael Fischer, über Jahrzehnte einer der wissenschaftlichen Mit-Denker der Festspiele ausgerichtet. Das Buch ist sein letztes, er ist in diesem Frühjahr gestorben.

Von Manuel Brug

Wenn ich mir was wünschen dürfte, käm ich in Verlegenheit, was ich mir denn wünschen sollte, eine schlimme oder gute Zeit?“ So hat einst Marlene Dietrich gesungen. In der Kunst, für die Salzburger Festspiele, wünschen wir uns natürlich eine gute Zeit. Nicht nur unter Markus Hinterhäuser, dem neuen, ab 2017 amtierenden Intendanten – auch danach. Deshalb folgen hier 25 Thesen, Überlegungen, Forderungen und Vorschläge, wie ich, Manuel Brug (…), mir die Salzburger Festspiele, die ich in dieser Funktion seit 1991 jeden Sommer gerne und bisweilen auch grollend besuche, in der Besten aller Kulturwelten vorstelle.

Man muss ja noch träumen dürfen. Also träumen wir! Das Opernleben: ein Traum.

In dem Folgendes erfüllt wäre:

1. Ein neues Kuratorium. Das oberste Festspielgremium muss dringend reformiert werden. Warum um alles in der Welt reden ausgerechnet bei den Salzburger Festspielen unbedarfte Lokalpolitiker, von den Hinterbänken entsandte Wiener Stellvertreter, Interessenslobbyisten konkurrierender Institutionen und Touristikexperten bei der Kunst entscheidend mit?

2. Eine stabile Intendanz. Die Fluktuation auf dem künstlerischen Kreativposten muss unbedingt gestoppt werden. Es kann nicht sein, dass schon nach einer Saison alles, was der Neue sich ausgedacht hat, zerredet wird, dass nur intrigiert, kommentiert und kritisiert wird, vorwiegend von Leuten (siehe Punkt eins), die meist keine Ahnung von der Materie haben.

3. Mehr Unabhängigkeit. Ein Intendant ist von einer neutralen Findungskommission vorzuschlagen und nicht schon vorher in den diversen Klüngeln nach dem Willen der lokalen, oft familiär miteinander verfilzten Führungslager zu bestimmen.

4. Unangreifbarer Fachverstand. Ein Intendant hat wirklich ein renommierter, international erfahrener und anerkannter Opernfachmann zu sein. Das Musiktheater ist und bleibt die Mitte der Festspiele. Es muss fest verankert sein, muss glamourös strahlen, aber auch innovativ funkeln. Nur so lassen sich die anderen Kunstsparten in Salzburg sicher installieren und entwickeln.

5. Stärkere Verzahnung. Die Programme sollten noch intensiver miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt sein. Nirgendwo auf der Welt finden sich gleichzeitig so viele hochvermögende Regisseure, Sänger, Schauspieler, visuelle Gestalter, Instrumentalisten, Dirigenten, bisweilen sogar Tänzer und Literaten an einem Ort. Das gilt es noch viel mehr zu pflegen, in große Bögen und Themenkomplexe einzubinden und sich entfalten zu lassen.

6. Unbedingter Einfluss. Der Intendant muss stärker werden. Er muss mit seinem Budget machen dürfen, was er für richtig hält. Dafür hat man ihn auf fünf Jahre gewählt. Also muss man ihn innerhalb seiner zu festigenden Kompetenzen gewähren lassen und darf nicht jedes Jahr seine Planung zerpflücken und zerreden. Im Kuratorium müssen Ermöglicher sitzen, nicht Verhinderer.

7. Neudefinition der Präsidentschaft. Das Präsidentenamt muss wieder hinter dem Intendanten zurücktreten. Der Amtsinhaber soll dem Intendanten den Rücken freihalten und bei den heute so wichtigen Sponsorenanwerbungen federführend sein, aber er soll sich weder in die Kunst einmischen noch sich mit dem Erfinder dieser vor Ort öffentlich bekriegen.

8. Wieder ein Verwalter. Es muss neuerlich einen Verwaltungsdirektor geben. Denn nur ein Fachmann kann den immer komplexeren Alltag hinter den Kulissen organisatorisch gestalten, weder der Intendant noch der Präsident haben dafür die Fachkompetenz. Das ist Sparen am falschen Ende.

9. Was soll das Schauspiel? Es wäre wieder einmal an der Zeit, darüber nachzudenken, welche Stellung das Schauspiel und damit auch dessen Direktor hat. Die Kunst der Zukunft denkt immer mehr spartenübergreifend, fächerverwischend. In Salzburg ist in dieser Hinsicht bisher allzu wenig zu sehen.

10. Wieder ein Konzertchef. Auch ein eigener Konzertdirektor wäre ideal. Das hat kürzlich der Tod des hochangesehenen Hans Landesmann wieder in Erinnerung gebracht, der nicht nur für die Post-Karajan-Ära mit der Berufung von Gerard Mortier entscheidende Weichen gestellt, sondern von 1991 bis 2001 auch einen nachhaltigen Reigen spannender und erfrischender Konzerte ersonnen hat.

11. Mehr Geld. Das Budget muss erhöht werden. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet beim kulturellen Aushängeschild Österreichs, das zudem eine Mehrfaches an Ausgaben wieder einspielt, seit 1998 die Subventionen eingefroren sind und man sich immer mehr in die Abhängigkeit der Ticketverkäufe oder der Sponsoren begeben muss bzw. im Programm nur auf sichere Nummern setzt.

12. Mehr Subvention. Der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand muss erhöht werden. Mit zwölf Prozent spielt er fast schon keine Rolle mehr. Vorwärtsweisende Kunst hat sich nur selten auch gleich gerechnet. Die Salzburger Festspiele müssen ein Ort der Fantasie, der Utopie, der Vision werden. Wenn man sich viele Programme schon auf dem Papier ausmalen kann, weil alle Beteiligten bewährt und bekannt sind, macht es keinen Festspielspaß mehr. Es gibt nichts Schöneres, Adrenalintreibenderes als eine aufregende Entdeckung im de-Luxe-Rahmen der Salzburger Festspiele. Der aber muss dafür etwas generöser werden.

13. Billigere Karten. Gleichzeitig müssen die Kartenpreise gesenkt werden. Die sind so teuer, weil die Subventionen so gering sind. Angeblich gibt es ja einen hohen Prozentsatz günstiger Karten. Doch wofür werden die aufgelegt? Bei den wichtigen Premieren und Veranstaltungen sieht man immer nur die gleichen, oft gelangweilt reichen Leute. Wenn das Publikum die Festspiele mehr fordert, können auch die Festspiele das Publikum stärker in die Pflicht nehmen.

14. Umgang mit Sponsoren. Geld aus der Wirtschaft ist gut und schön. Doch es darf nicht dazu führen, dass die Dominanz dieser immer noch vergleichsweise geringen Finanzspritzen das Bild der Festspiele als Jahrmarkt und Silbertablett für Unternehmenseitelkeiten verstellt.

15. Weniger, Besseres. Klasse ist besser als Masse. Es geht nicht darum, in Salzburg jedes Jahr neue Kartenverkaufs- und Besucherrekorde aufzustellen. Die Festspiele sind nicht in allererster Linie ein auf monetären Erfolg getrimmtes Wirtschaftsunternehmen, das mit Künstlern handelt. Auch wenn man in den letzten Jahren nicht selten diesen Eindruck hatte. Konzentration schärft die Sinne und auch die Planung. Deshalb: lieber etwas weniger, aber Qualitätsvolleres, nicht so oft nur Erwartbares, Routine, Durchschnitt.

16. Die Kirche bleibt im Dorf. Unbedingt erhalten werden sollte die Ouverture spirituelle als schönste Idee der Pereira-Jahre. Salzburg hat dafür die kirchlichen Räume und das geistige Klima, das genau hier zum Austausch herausfordert. Gerade bevor die Galapremieren starten, sind diese geistlichen Konzerte, die trotzdem auch nur als purer Musikgenuss gelten können, ein feiner Moment der Einkehr, der Konzentration, des Zur-Ruhe-Kommens.

17. Mehr Wagemut. Subventionen in der Kultur sind dafür da, dass auch etwas gewagt werden kann. Deshalb muss in Salzburg nicht unbedingt alles voll, aber es muss wichtig und wegweisend sein. Nur das Außerordentliche, das während der Saison in dieser Art nirgends zu sehen sein kann, hat hier seinen Platz.

18. Das Besondere. Zum Herausragenden gehören in der Musik die Stars, aber eben auch die für Salzburg reifen Newcomer. Die möchte man jedes Jahr in einmaligen Konstellationen erleben dürfen, in neuen Rollen und in seltenen Stücken, die aus dem herkömmlichen Repertoirebetrieb herausstechen. Nur dann lohnt sich auch der Weg. Die Repetition dessen, was auch in anderen Musikzentren während der Saison zu erleben ist, gehört nicht nach Salzburg. Dafür können gerade die solventen Gäste auch anderswohin fahren.

19. Nur neu reicht nicht. Uraufführungen sind wichtig. Sie müssen regelmäßig in Salzburg stattfinden. Weil hier etwas mit einem Paukenschlag in den Betrieb eingespeist wird. Und sich anschließend zu bewähren hat. Aber neu ist nicht automatisch gut. Also gelten hier ähnliche Qualitätskriterien wie beim herkömmlichen Repertoire.

20. Mehr Entdeckerfreude. Rares, Sperriges, Vergessenes, Versäumtes gehört unbedingt stärker ins Festspielprogramm. Hier gelangen auch in der Vergangenheit unter Mortier und Ruzicka immer wieder besondere Produktionen. Gerade die zentraleuropäische Musikgeschichte ist immer noch voll davon. Man muss nur die richtigen Werke für Salzburg finden.

21. Pause für Mozart. Wolfgang Amadeus muss nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Er ist inzwischen in Salzburg in 94 Festspielsommern so oft gespielt worden, das selbst dieser über allem Schwebende hier nicht selten ausgelaugt und müde wirkt. Erfrischung tut not, es kann auch mal ein paar Jahre ohne da Ponte geben. Der Kosmos der Musik ist selbst in Salzburg von der Renaissance bis hin zur Zeitgenossenschaft so gewaltig erweitert worden, dass sich immer noch viel Spezifisches, Populäres, Schräges, Kostbares findet, ohne dass immer gleich Mozart draufstehen muss.

22. Abwechselnde Orchester. Zu den Säulen der Salzburger Festspiele gehören die Wiener Philharmoniker, aber sie sind nicht ihr Herz. Dafür war ihre Leistung in den letzten Jahren besonders in den Opern nicht selten schwankend. Es sollen hier die musizieren, die mit dem jeweiligen Stil eines Werkes am besten vertraut sind oder die Lust darauf haben. Das können und sollen gern die Philharmoniker sein, doch sie sind meistens teurer als alle anderen. Außerdem belebt Abwechslung die Sinne und das Geschäft.

23. Festspiele als Experimentierraum. Während sich die Salzburger Mozartwoche in den letzten Jahren zum Experimentier- und Ausprobierpodium auch der Wiener Philharmoniker für jüngere Dirigenten vor einem fachkundigen Publikum entwickelt hat, setzten die Orchesterkonzerte im Sommer meist auf Bewährtes und Sicheres. Hier wären weit mehr Abwechslung und Mut gefragt.

24. Intensiverer Diskurs. Die Salzburger Festspiele müssen noch mehr ein Ort der Vermittlung, des Austausches, auch der Kontroverse, der Vertiefung werden. Es sind so viele wichtige Künstler hier, ein aufgeschlossenes, neugieriges Publikum. Warum wird da interaktiv nicht noch viel mehr in die Wege geleitet?

25. Kultursommer als Lebensanreger. Die Salzburger Festspiele sollen mehr Fragen stellen, mehr herausfordern, auch verstören. Nur wer angeregt wird, denkt. Und lebt. Vielleicht sogar nach einem berauschenden, beflügelnden, bereichernden Festspielsommer besser, wirklichkeitszugewandter. Und dafür war dann jeder Eintrittspreis recht.

Michael Fischer (Hg.): DieSalzburger festspiele. Ihre Bedeutung für die eurtopäische Festspielkultur und ihr Publikum“. 191 Seiten. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2014. € 24.- www.pustet.at

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Pustet

 

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