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Tommy´s Pap, mein Pap und meine Mam

LESEPROBE / EROSTEPOST / FRANZ MIKLAUTZ

12/06/14 Franz Miklautz ist einer der drei Autoren, unter denen heuer der erostepost-Literaturpreis aufgeteilt wird. Die Auszeichnung wird morgen Freitag (13.6.) im Literaturhaus Salzburg übergeben. – Hier der Beginn der presigekrönten Geschichte „Alles in diesen niedlichen Wägelchen“.

Von Franz Miklautz

Tommy´s Pap war nicht wie meiner. Pap sagte, der solle mal einen Tag das arbeiten, was er arbeite. Pap sagte, die Irren, die witterten, wenn man Angst habe. Und dann sei man tot, sagte Pap.

Doch Tommy, der war gleich wie ich. Und ich war ihm ähnlich. Mein zweiter Vorname war auch Tommy. Wir wohnten in derselben Gegend. Ich teilte die Schulbank mit ihm. Selbst unser Geburtstag fiel auf den gleichen Tag. Wenn Tommy das Fenster zu seinem Zimmer demolierte, ging Pap rüber, nahm die Scherben raus und rahmte es neu. Und Tommy und ich, wir fugten es mit frischem Fensterkitt aus. Pap bekam Bier von Tommy´s Mam und ich pennte oben in Tommy´s Zimmer, neben ihm, und später ging Pap wieder rüber zu Mam.

Ich blickte auf die Zeitanzeige. Noch eine Stunde bis Tommy kam. Ich hatte ein mieses Gefühl. Als ich aufwachte, waren diese gottverdammten Gänse noch immer da. Sie gingen mir nicht aus dem Schädel. Ich hatte es Mam erzählt, jedoch mit einem anderen Tier. Mich überkam ein tiefes Bedürfnis, ihre Stimme zu hören.

Ich machte das Radio an, ich hatte Tante Torry´s Bett geerbt, eines mit Radio im Kopfteil. Oben rum war das Bett braun, die Schlaffläche aus hell- und dunkelbraun-kariertem Polyester, ziemlich verfilzt, ich verwendete nie Leintücher, es juckte oft. Zum Verstauen der Bettwäsche musste ich das Ding aufklappen. Aber auch das tat ich nie. Seitlich, zwischen Bett und Wand, klemmten meine drei doppelseitig bedruckten, schon rauen Blätter mit Schwarzweiß-Fotos, die aus dem Heft geragt hatten, dem in Pap´s Pornoversteck. Es lag in einer Schachtel, neben einer selbstbespielten Tonbandkassette.

Im Radio spielte Lou Reed.

Mein Magen knurrte. Ich löste meine Hände aus dem Pyjamabund. Ich ging durch den Flur. Ich suchte Mam, es war mir egal, dass ich wusste, dass sie schon weg war. Ich fand nichts mehr von ihr vor. Nur das Küchenradio hatte sie angelassen, das jetzt Lou Reed übertönte. Ich ging zu Pap´s Versteck. Die Tonbandkassette lag unverändert da. Sie war unbeschriftet. Für Pap war wenig reden eine Tugend. Auch das Heft war nicht bewegt worden. Ich blätterte darin, aber es gab mir nichts. Ich wollte einfach nur Mam´s Stimme hören. Ich nahm die Kassette und ging zum Küchenradio. Die Antenne war abgeknickt. Ich drehte an ihr. Der Sender rutschte weg, aber irgendwie ergab das Rauschen einen Sound. Ich ließ die Kassette ins Fach gleiten und klappte das Deck wieder zu. Die Tastenreihe war in der Mitte unterbrochen, die Playtaste fehlte, sie lag seit Jahren neben dem Radio. Ich drückte auf diesen Stoppel unter der Playtaste und ging zum Kühlschrank.

Ich hörte vorbereitende Laute.

Im Kühlschrank stand ein Päckchen Milch, dann noch eines mit Haltbarmilch, an der Rückwand sah ich einen Teller mit Wurstresten, die mich durch das Gitter anäugten. Als ich den Kühlschrank zutrat, fiel mir der Zettel am Küchentisch auf (…)

Mit freundlicher Genehmigung von erostepost

Bild: erostepost
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