Vom Geisterschiff zum modernen Musentempel
BUCHBESPRECHUNG / MOZARTEUM
16/11/15 Als er das erste Mal das – damals noch: „neue“ – Mozarteum betrat, habe er es als „eine Art Geisterschiff mitten in der Stadt“ erlebt, schreibt der Architekt Robert Rechenauer. Das war es auch, nachdem es von heute auf morgen seines Inhalts, der Lehrenden und Studierenden, beraubt worden war: Evakuierung wegen Krebsgefahr!
Von Reinhard Kriechbaum
Eingehend beschreibt der Architekt des jetzigen „neuen“ Mozarteums, was er damals vorgefunden hat, wie er durch die schmalen Fensterschlitze geblickt und registriert hat, dass „an den äußerlich unversehrten Rumpf die Wellen des täglichen Lebens“ schlugen. „Sieben Decks, sieben Stockwerke“, schreibt Rechenauer. Ein Bauwerk, an dem das echte Leben von je her abgeprallt war. Seine Beobachtungen treffen sich mit der Erinnerung des Lesers, der dieses zeittypische Architekturkind der späten siebziger Jahre als einen uninspirierenden Fuchsbau im Gedächtnis behalten hat.
Der „Wandel eines Ortes“ also ist in dem Büchlein im Verlag Müry Salzmann beschrieben. Es ist mit wunderbaren Architekturaufnahmen von Andrew Phelps üppig ausgestattet, aber eben auch mit mancher historischen Zimelie aus der „Lodronstadt“ garniert – jenes Stadtteils also, den Fürsterzbischof Paris Lodron maßgeblich mitgestaltete. Architekt des „Primogeniturpalastes“, von dem jetzt im Wesentlichen nur noch die Außenmauern an drei Seiten existieren, war immerhin der Salzburger Dombaumeister Santino Solari. Noch zur Zeit, als im Biedermeier das Sattler-Panorama entstand, war dort die Stadt zu Ende. Nur das Schloss Mirabell ragte noch ein wenig hinaus ins Grünland.
Rechenauer beschreibt in dem Buch – natürlich sehr subjektiv – seinen Umgang mit der historischen Substanz: Originalpläne des Solari-Palais sind ja nicht erhalten. Die Funktion des Eingangsportals wurde vom Architekten Eugen Wörle (1909-1996), der übrigens das schändliche Ende seines nur zwei Jahrzehnte in Betrieb befindlichen Baus nicht erlebt hatte, dem Straßenverkehr geopfert. Hinter die Längsfassade wurde ein künstlicher Durchgang, die „Aicher-Passage“ gebaut. Ein Marienmedaillon, das einst den Eingang einer kleinen Kirche zierte, war etwas unmotiviert anderswo eingemauert. Den Umgang mit all diesen Dingen und Voraussetzungen beschreibt Rechenauer. Spätestens in einem halben Jahrhundert wird deshalb wohl auch dieses Büchlein ein Stück Zeitgeschichte sein. Man wird dann, vermutlich staunend, lesen, wie ein Architekt ein solches Opus am Beginn des dritten Jahrtausends in Angriff genommen hat: einen Neubau in die potemkinsche Außenhaut eines in weiten Teilen potemkinschen Stadt-Dorfes...
2009 ist Robert Rechenauers Neues Mozarteum mit dem Bauherrenpreis gewürdigt worden. „Gute Architektur ist die Kunstgeschichte von morgen“, schreibt Mona Müry im Vorwort. Kann durchaus sein, dass sie in diesem Fall recht behält.
Robert Rechenauer: Das Mozarteum Salzburg. Wandel eines Ortes. Fotografien von Andrew Phelps. Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2015. 96 Seiten, 25 Euro – www.muerysalzmann.at
Buchpräsentation morgen Dienstag (17.11.) um 18 Uhr im Foyer der Universität Mozarteum