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Um viele Tanzschritte und „50 dugatten“ leichter

BUCHBESPRECHUNG / TANZ / MOZART-ZEIT

17/02/15 „Wie lange dauert eine Anglaise?“, „Wie viele Schritte hat eine Tour?“. Das wären Ideen für ultimativ letzte Fragen in der Millionenshow. Stammen sie aus einem Lexikon unnützen Wissens? Im Buch „Contredanses. Tanzvergnügen der Mozart-Zeit“ finden wir sie beantwortet.

Von Reinhard Kriechbaum

Dass viel getanzt worden ist in der Mozart-Zeit ist keine Neuigkeit. Die Briefe der Familie Mozart sind voll von einschlägigen Notizen und Anmerkungen. Uns heutige Betrachter von Tanz-Rekonstruktionen hauen die damaligen „Kontratänze“ nicht vom Hocker. Seit man sich im Walzertakt dreht, wirkt das gezierte Figurengehen nicht mehr ganz so sexy. Aber im ausgehenden 18. Jahrhundert hatten Tanzveranstaltungen mit solchen organisierten Gruppentänzen noch hohen Vergnügungswert und sie hatten auch nicht geringen sozialen Stellenwert: Die Kenntnis der Tänze gehörte quasi zur Allgemeinbildung besserer Stände und die „Redoute“ war ein Anlass, da Adel und gehobenes Bürgertum einander hautnah begegnen, unverkrampft ins Gespräch kommen konnten.

Selbst der gestrenge Erzbischof Colloredo förderte solche Begegnung, ganz im Sinn der Aufklärung. „In Tanzgesellschaften ist man allemal freundlich und gefällig“, so ein buchschreibender Tanzmeister 1801. Man nehme „eine Freiheit an, (…) die in gesellschaftlichen Zirkeln stets das Angenehme zum Vergnügen Aufmunternde schafft“.

„Das Fräulein ist da nicht mehr als das Bürgermädchen und der Hofrath, der Offizier nicht mehr als ein Subaltern.“ Wir sind kurz nach der französischen Revolution, und da kann man sich eben in das unter der Etikette der Konvention wunderbar verborgen gehaltene Subversive gut hinein versetzen. „Nirgends ist die Aristokratie lästiger und zerstörender als im Tanze.“

Die Salzburger Tanzpädagogin Verena Brunner ist eine, die die Tänze der Epoche nicht nur theoretisch studiert, sondern zu vielen Gelegenheiten, oft mit Kindern, aber auch mit Erwachsenen im Wortsinn „durchgespielt“ hat. „Tanzen mit Mozart“ hieß ihr 2001 erschienenes erstes Buch zum Thema. Nun also „Contradanses“: eine gründliche historische Materialsammlung mit unzähligen Briefzitaten, aber eben auch ein Buch mit sehr genauen Beschreibungen und Anleitungen, in denen sich die Praxisnähe der Autorin spiegelt. Verena Brunner hat gediegene Quellenkenntnis. Allemande, Quadrille, Anglaise oder Country Dance – all das wird unter „Kontratanz“ subsummiert und die Terminologie stiftet nicht selten Verwirrung. Verena Brunner weiß die Dinge aber einzuordnen, sie hat die Tanzmeisterschriften studiert, sie weiß diese Partituren für die Beine auch zu lesen und praktisch umzusetzen. Mit dem Buch in der Hand – na ja, besser vielleicht im Kopf – kann man sich jedenfalls ans Tanzen machen.

Ein gutes Drittel machen Briefstellen aus, wobei vor allem die Tagebücher des Joachim Ferdinand von Schidenhofen, eines Hofbeamten am fürsterzbischöflichen Hof und Freundes der Familie Mozart, offenbar eine Informations-Goldgrube darstellen. Sehr anschaulich, was wir über die Tanzgepflogenheiten damals erfahren. Übrigens war bei der „Redoute“ zuerst gar nicht das Tanzen das Haquptthema. Man traf sich, um dem offiziell verbotenen Glücksspiel „Pharao“ zu frönen. Eine Beobachtung Mozarts bei einer solchen redoute: Seine hochfürstliche Gnaden sei „um 50 dugatten leichter“ geworden. Der gestrenge und angeblich so knausrige Fürsterzbischof Colloredo (ver)spielte also auch gelegentlich.

Die Autorin hat auch im Journal des Luxus und der Moden geblättert, so dass wir uns ein Bild von der Mode der Zeit machen können. Vor allem wendet sich das Buch freilich an Leute, die es mit dem Tanzen ernst meinen und womöglich gar selbst versuchen wollen. Noten gibt es, und eine CD (mit Aufnahmen der Salzburger Hofmusik) obendrein.

Ein Laie mit mit stocksteifem Gemüt und zwei linken Beinen (dazu bekennt sich der Autor dieses Beitrags), liest in dieses Buch hinein wie in eine Sammlung exotischer Reisebeschreibungen und Kochrezepte. Könnte aber eh wirklich ganz lustig gewesen sein…

Verena Brunner: Contredanses. Tanzvergnügen der Mozart-Zeit. 244 Seiten. Fidula Verlag, Boppard am Rhein, 2014. Buch € 29,90, CD € 16,90 – www.fidula.de

 

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