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Der Föhn bleibt bitte lieber im Badezimmer!

 

HINTERGRUND / BUCH / VERANTWORTUNG KULTURGUT

04/02/15 Hoffentlich sind die Motten noch nicht hineingekommen in die feinen weißen Baumwollhandschuhe, die man zuletzt beim Tanzschulball übergestreift hatte. Dann nämlich wären sie selbst ein Fall fürs Konservieren.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber wenn sie noch intakt sind, dann können sie gute Dienste leisten. Zum Beispiel, wenn man wirklich sorgsam umgehen will mit den vergilbten Fotos, die seit Menschengedenken in einer Schuhschachtel im Keller ablagern. Man sollte alte Fotos nämlich nie mit bloßen Fingern angreifen, warnt der Restaurator Nikolaus Pfeiffer. Das gilt für die hübschen Papierabzüge aus den sechziger und siebziger Jahren – Stichwort: Kodak-Blau – ebenso wie für jene schwarzweißen Fotos, für die unsere Ur-Urgroßeltern noch zum Fotografen marschiert sind. Dort haben sie sehr konzentriert haben stillsitzen müssen, bei den damals üblichen Belichtungszeiten. Jetzt zeigt manches dieser Fotos vor allem an den Rändern einen verdächtigen Glanz. Der Fachmann runzelt die Stirn. „Aussilberung“ heißt das. Lichtempfindliche Silber-Halogene hat man früher verwendet für die Papiere. Wenn jetzt Säure dazu kommt (die kann von Klarsichtfolien abgegeben werden), dann ist eine silberschimmernde Verwitterungsschicht die Folge und das schöne Foto bald perdu.

„Verantwortung Kulturgut“ heißt eine neue Broschüre aus dem Salzburger Landesarchiv. Der Chefrestaurator dort, Nikolaus Pfeiffer, hat diese profunde Pflegeanleitung für alte Dinge geschrieben. Das Buch richtet sich vor allem an jene gar nicht so wenigen Leute, die hobbymäßig, semiprofessionell oder auch mit fast schon beruflichem Engagement Sorge tragen für die Regionalmuseen und ihre Bestände, die nicht selten aus einem Materialsammelsurium sondergleichen bestehen. Auch in manchem Gemeindearchiv sammeln sich im Lauf von Jahrzehnten Dinge an, die ordentlich und sicher aufzuheben eine gewisse Sachkundigkeit erfordert.

Beim Durchblättern den Buches kommt man freilich schnell drauf: Die 24 Euro, die es kostet, wären auch keine schlechte Investition für einen Privathaushalt. Das papierene Familiengedächtnis in der Schuhschachtel dankt’s ebenso wie der vergoldete Bilderrahmen, der seit Jahrzehnten ebenfalls im Keller vor sich hinstaubt. Und es schadet auch nicht, um die 50-Lux Bescheid zu wissen: Das ist die Licht-Obergrenze, damit Papier nicht auf Dauer leidet. Liebgewordene Familienfotos gehören also nicht in Fensternähe aufgehängt, wo die flachen Strahlen der Wintersonne drauf fallen.

Angewandte Konservierungs- und Museumspraxis also, die auch im Alltag hilfreich sein kann. Das alte Ölbild, das auch lang im Keller herumgestanden ist, will man jetzt doch mal wieder herauf holen, weil es doch ganz gut ins Wohnzimmer passte? Bloß nicht mit einem feuchten Tuch über die Bildfläche fummeln, und schon gar nicht zum Staubsauger greifen! Sollte sich die Farbschicht nämlich vom Leinenuntergrund abgelöst haben (Krakelee oder Craquelée sagt der Fachmann dazu), dann könnte der starke Sog Partikel der Malerei verschlucken.

Ein altes Dokument, das unsere Vorfahren achtlos zusammengefaltet haben? Tixo wäre das Allerletzte zum Zusammenkleben der entstandenen Risse, wie überhaupt man nach Lektüre des Buchs von Nikolaus Pfeiffer zum Schluss kommt: Den Besuch im Bauhaus sollte man sich für koservatorische Arbeiten eher sparen. Naturstoffe sind gefragt. Knochenleim, Fischleim, Kleister oder “Mehlpapp“: Mit dem leichten Druck auf die Tube ist’s meist nicht getan, soll das Ergebnis nicht mehr Schaden anrichten als nützen, warnt der Restaurator. Seine Tätigkeit im Landesarchiv ließ ihn vor allem zu einen Fachmann für Papier werden. „Tipps und Tricks“ hat er auf Lager, zum Beispiel um selbst Mappen zu basteln, in denen man Bilder oder Dokumente sicher verwahrt.

Das Buch beginnt übrigens vielversprechend mit dem Kapitel „Katastrophen“. Und wenn’s auch nur ein Rohrbruch war, der akkurat die Kiste mit den alten Bilderbüchern unter Wasser gesetzt hat. Der möglichen Rettungs-Sünden sind viel. Der Föhn jedenfalls bleibt bitte lieber im Badezimmer!

Nikolaus Pfeiffer: Verantwortung Kulturgut. Konservatorischer Leitfaden für den Alltag im Regionalmuseum und Gemeindearchiv. Schriftenreihe des Salzburger Landesarchivs Nr. 24, Salzburg 2015. 24.- Euro (zu beziehen über das Salzburger Landesarchiv, http://www.salzburg.gv.at/archive)

Das Buch wird heute Mittwoch (4.2.) um 18 Uhr im Saal der Volkskultur (Petersbrunnhof) vorgestellt.

Bilder: Landesarchiv / Gerhard Kowanda, Nikolaus Pfeiffer

 

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