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Getriebener der Unterhaltungsindustrie

BUCHBESPRECHUNG / NESTROY-BIOGRAPHIE

25/05/12 Ist über Johann Nepomuk Nestroy nicht schon alles gesagt worden? Wer das annimmt, wird staunen, was für ein griffiges Bild Renate Wagner von dem höchst ungewöhnlichen Dichter und Schauspieler mit ihrer neuen Biografie („Der Störenfried. Johann Nestroy – ein Theaterleben“) gelingt. – Nestroys Todestag jährt sich heute Freitag (25.5.) zum 150. Mal.

Von Werner Thuswaldner

Die Autorin fächert anschaulich auf, was dieser Mann Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr geleistet hat. Als Leitfaden nützt sie das Erscheinen seiner 77 Stücke.

Ein Dutzend finden sich heute noch als zeitlose Glanzpunkte im Repertoire vieler Bühnen. Wann er die Zeit fand, sie zu schreiben, ist kaum vorstellbar, denn er stand so gut wie jeden Tag auf der Bühne, in eigenen und in Stücken anderer Bühnenautoren, in Wien, in vielen Städten der Monarchie und darüber hinaus. Und gelernt werden mussten diese Rollen auch irgendwann einmal. Man kann sich vorstellen, wie viel Zeit da noch für ein biedermeierlich-inniges Familienleben blieb.

Die Unterhaltungsindustrie des 19. Jahrhunderts war nicht weniger unersättlich als jene unserer Tage. Ein Moloch, der ständig nach Neuem verlangte. Die Vorstadttheater wetteiferten miteinander. Karl Carl war der herausragende Unternehmer, der das Theater an der Wien und später zugleich das Theater in der Leopoldsstadt betrieb. Für ihn war ein Mann wie Nestroy, als Darsteller ein Publikumsliebling, als Stückeliferant unentbehrlich,  buchstäblich Goldes wert. Es galt, die Theatersucht der Menschen, die in Wien besonders markant ausgeprägt war – noch heute ist davon etwas zu bemerken –, zu befriedigen.

Renate Wagner zeigt auf der Basis eingehender Recherche das Auf und Ab von Nestroys Laufbahn. Es wird deutlich, dass die Erfolgskurve keineswegs von den Anfängen 1827 bis zu seinem Tod 1862 nur nach oben zeigte. Nestroy erlebte viel mehr Niederlagen als Triumphe. An einem Abend tobte das Haus und es wurden Kränze auf die Bühne geworfen, am darauf folgenden zischten ihn die Zuschauer nieder, weil ihnen das neue Stück nicht gefiel oder weil sich Nestroy als Darsteller nicht den Erwartungen nach leicht Konsumierbarem fügte und er sich stattdessen als einer gebärdete, der sich dem Verlangen nach Harmonie widersetzte. Das Publikum nahm es zwar hin, dass ihm von Nestroy auf bissige Weise die eigenen Schwächen vorgehalten wurden, reagierte aber ungnädig, wenn dabei Grenzen überschritten wurden.

Als politischer Gegner des Metternich-Systems hat  es Nestroy zwar nicht bis zum Äußersten getrieben, aber genug an Kämpfen mit der Zensur ausgestanden und sogar eine mehrtägige Gefängnisstrafe ausgefasst.

Renate Wagner analysiert die Abfolge der Stücke nicht vom germanistischen Standpunkt her, obwohl sie Nestroys Rang als Sprachartist und Pointenproduzent genau erkennt und würdigt, sondern von der Warte des unbarmherzigen Theaterbetriebs der Zeit. Geschäft, Intrige, Konkurrenzkampf – zwischen Theaterunternehmern und Schauspielern –, Mode, waren wichtige Faktoren. So betrachtet war Nestroy ein Getriebener, dem ein unvorstellbares Leistungspensum abverlangt wurde.

Renate Wagner: Der Störenfried. Johann Nestroy – ein Theaterleben. Geb. 255 Seiten, viele Abbildungen. Verlag Kremayr und Scheriau, Wien 2012. € 24.- www.kremayr-scheriau.at

 

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