Wandern mit wachem Sinn
BUCHBESPRECHUNG / ERLEBNIS SALZBURGER LAND
11/11/11 Ist jetzt die Jahreszeit, um Wanderführer allmählich ins Buchregal zurückzustellen? Für jene Reihe von Salzburg-Wanderbüchern, die in diesem und dem kommenden Jahr im Pustet-Verlag erscheint, gilt das nicht.
Von Reinhard Kriechbaum
Sportsgeist braucht es zum Wandern, das schon. Aber der Reisejournalist Siegfried Hetz, der für die Reihe „Erlebnis Salzburger Land“ verantwortlich zeichnet, ist ein Wanderer mit offenen Augen. Er hat viel Neugier für die Dinge am Wegrand (und damit sind nicht bloß Blumen und Gesteinsformationen gemeint). Flachgau, Lungau und Pinzgau sind bis jetzt „abgearbeitet“. Wollte man all die Routen abgehen, ist man also auf Jahre hin versorgt.
Was ist das Besondere? Auch wenn es, auf den ersten Kartenblick hin, ansehnliche Bergtouren sind, schickt uns der Autor nicht des Kilometerfressens auf den Weg. Mit jedem Weg, mit jeder Routenbeschreibung fasst er etwas von der landschaftlichen, naturkundlichen, vor allem auch der kulturellen Besonderheit. Er leitet uns auch an, die Fortbewegungsart dem jeweiligen Gebiet anzupassen. Das kann also schon mal eine Tour mit dem Mountainbike – meist aber mit dem normalen Fahrrad sein. So wird die Trennung zwischen Wander- und Radführer ebenso aufgehoben wie zwischen Kultur- oder Naturführer, zugunsten einer vielfältigen und ganzheitlichen Sicht auf die Salzburger Regionen.
Es muss auch im Lungau nicht unbedingt hoch hinauf gehen. Warum nicht Siegfried Hetzs Empfehlung folgen und sich für einen schlappen Zwei-Kilometer-Rundgang durch Mauterndorf drei Stunden Zeit nehmen und beispielsweise erfahren, was Burg Mauterndorf, Hitlers Reichsfeldmarschall Göring und die damaligen Burgbesitzer, die jüdischstämmige Familie Epenstein, miteinander zu tun gehabt haben. Göring erbte die Burg 1934 (seine Mutter hatte ein Verhältnis mit dem Doktor Epenstein), wurde Ehrenbürger von Mauterndorf … und der Rest ist Geschichte.
Siegfried Hetz weiß unzählige solcher Geschichten, und das macht die Lektüre dieser „Wanderführer“ auch daheim im Ohrenfauteuil lohnend. Was im Lungau-Band auffällt: Als Stadt-Salzburger glaubt man, mit der einen oder anderen Route bestens vertraut zu sein – und ist abends jeweils wieder nach Hause zurückgekehrt. Herz hingegen empfiehlt mehrere Zweitagesrouten. Warum eigentlich nicht sich für den Ort und den Umraum von Mattsee zwei Tage lang Zeit nehmen? Dasselbe gilt für die Region Nußdorf am Haunsberg und Michaelbeuern oder für den Wallersee und die Große Plaike. Dort gibt es übrigens einen „Eiszeitrundweg“, auf den Schautafeln erfährt man etwas über die landschaftsformende Kraft der Gletscher. Auch für die heutige Erscheinungsform des „blühenden Vorgartens“ der Landeshauptstadt war letztlich die Vereisung verantwortlich – und nicht nur für Täler und Kare im Hochgebirge, etwa für die reiche Seen- und Hochmoorlandschaft im Lungau.
Und ein Streiflicht auf den Pinzgau: Zwischen Niedernsill nach Piesendorf zu wandern (oder Rad zu wandern) ist auch von der Jahreszeit ziemlich unabhängig und man kommt nicht nur an wundersamen gotischen Fresken vorbei. Auch über die Noriker-Zucht wird man hier informiert. Klar, dass ein Resejournalist wie Siegfried Hetz (der übrigens in Piesendorf geboren worden ist) nicht an einem alten Volksspruch vorbeigeht, der illustriert, wie kostbar einst die Noriker als Arbeitstiere waren: „Weibersterben, kein Verderben – Ross verrecken, großer Schrecken.“