Med ana blauen Tint‘n
BUCHBESPRECHUNG / LITERATURLANDSCHAFT WOLFGANGSEE
24/06/11 Der Altausseer See sei so etwas wie ein Tintenfass, „in das die im Kreis herumsitzenden Dichter ihre Federkiele“ tauchen: Das ist ein Bonmot von Raoul Auernheimer.
Von Reinhard Kriechbaum
Im 19. Jahrhundert, also weit bevor man das Weiße Rössl galoppieren hörte, galten zwei Schriftsteller als Werbeträger für eine andere Region: Henry Wadsworth Longfellow und Joseph Victor von Scheffel verbrachten die Sommerfrsche an Wolfgangsee. Sie hatten Zugkraft und lockten weitere Schreibende an.
Wolfgang Straub hat, wie es aussieht, aus dem Vollen schöpfen können für die handliche Broschüre „Literaturlandschaft Wolfgangsee“. Sie ist wie der Vorgängerband „Literaturlandschaft Innergebirg“ erschienen in der Edition Eizenbergerhof (von Leselampe & Prolit).
Vielleicht wird man ja milde lächeln, wenn man Scheffels wässerige Hymne liest: „Sei gegrüßt mir, einsamer Abersee, / spärlich umwohnter, spärlich befahrner …“ Ach, muss es dort schön gewesen sein, bevor der Massentourismus ausgebrochen ist. (Abersee ist der alte Name für den Wolfgangsee). Peter Altenberg muss schon mehr Menschen erlebt haben und beschreibt anschaulich die Mühsal einer Bergfahrt der Schafbergbahn: „Die schiefe Lokomotive ist quasi zusammengeduckt, wie Einer, der sich grässlich anstrengt.“ Julian Schutting befindet: „Wenigstens ein mal im Jahr soll man auf dem Schafberg gewesen sein“, zu Fuß wohlgemerkt, um „den Einheimischen nachzueifern, die auf der Trasse der Schafbergbahn aufsteigen, sobald die letzten Sommergäste abgereist sind und der Ahorn gelb ist …“
Ein Bild zeigt uns Leo Perutz im modischen Badeanzug beim Wellenreiten (eine Art Wasserski), Alexander Lernet-Holenia lehnt nachdenklich an der Bootshütte. „Und stündlich steigt der See, und vielleicht trägt er uns fort, das Haus mit uns allen.“ Das ist keine angstvolle Bemerkung von Helmut Kohl, um dessen Wochenend-Haus Christoph Schlingensief selig mit deutschen Arbeitslosen einst desaströsen Seegang erzeugen wollte. Hugo von Hofmannsthal fühlte sich fortgetragen.
Der Spötter Fritz von Herzmanovsky-Orlando, ganz im Taumel der Sommerfrische: „Sankt Wolfgang hatte zwei große Sehenswürdigkeiten: erstens: den weltberühmten gotischen Altar von Michael Pacher und zweitens: die berühmte Naive des Wiener Burgtheaters, Baronin Stella Hohenfels, eine reizende Erscheinung – unserer Zeit völlig entrückt.“
Ernsthaft Hilde Spiel, sinnierend: „Aber alle haben es nicht, das tiefe, wunschlose Blau wie ein Weiher in Träumen.“ Ja eben, wie eingangs zitiert: Frisch zum Eintauchen der Dichterfeder. H.C.Artmann hätte hier vielleicht geschrieben: Med ana blauen Tint’n – aber er war ja nicht da, sonst hätte der gründlich recherchierende Wolfgang Straub seine Spuren gewiss aufgedeckt.
Wolfgang Straub: Literaturlandschaft Wolfgangsee. Edition Eizenbergerhof, Band 36. Salzburg 2011. 96 Seiten, 7 Euro.
Präsentation am Sonntag, 26. Juni, um 11 Uhr im Gasthof „Zur Post“ in St. Gilgen. Dort nahm einst Henry Wadsworth Longfellow Quartier, im 19. Jahrhundert der meistgelesene amerikanische Poet.