Wenn die Dämonen das Regiment übernehmen
BUCHBESPRECHUNG / WEIHNACHTSBRÄUCHE IN ÖSTERREICH
26/11/10 Zwischen alten Traditionen und neuer Eventkultur: Im Pustet Verlag ist ein Buch von Reinhard Kriechbaum über alte und neue Weihnachtsbräuche in Österreich erschienen.
Von Werner Thuswaldner
Die jahreszeitlich bedingte Finsternis in der Zeit der Wintersonnenwende beflügelte die Fantasie der Menschen schon immer stark. So stark, dass man sich gedrängt fühlte, die Spukgestalten und die Geschichten, die mit ihnen verbunden sind, in großen theatralischen Aktionen darzustellen.
Klar hatte man früher Angst, dass es nie wieder heller werden könnte. In der Dunkelheit hatten die Dämonen leichtes Spiel. Der christlichen Mission ist es nicht gelungen, sie zu verdrängen. Manches konnte ein wenig umgedeutet werden, mehr Erfolg gab es nicht. Also sind speziell in den Alpentälern die Krampusse, die Teufel und die verschiedenen Sorten von Schiachperchten unterwegs, um ihr Publikum – und da sind nicht bloß die Touristen gemeint – zu beeindrucken. Sie tragen dicke Zottelfelle, unter denen es schön warm ist, und weil es zu anstrengend wäre, auf Dauer eine erschreckende Grimmasse zu schneiden, haben sie schwere, wild aussehende, meist aus Holz geschnitzte Masken auf. Der Schrecken, den sie verbreiten, wird da und dort durch eine gefälligere Variante, die „Schönperchten“, gemildert. Und die „Glöckler“ sind überhaupt Pachtgestalten.
Wie viele unterschiedliche Formen diese, oft von höllischem Lärm der Schellen begleiteten Auftritte haben und welche Blüten sie in den einzelnen Regionen treiben, zeigt ein neues Buch von Reinhard Kriechbaum („Weihnachtsbräuche in Österreich“, Pustet Verlag, Salzburg). Kriechbaum beschränkt sich nicht nur auf Bräuche der Alpenregion. Sie bilden allerdings den Schwerpunkt. Er geht in 79 Kapiteln auf Bräuche in ganz Österreich ein, von Vorarlberg bis ins Burgenland. Manches an Bräuchen mag verloren gegangen sein, aber neue sind, wie man erfährt, dazugekommen. Sogar Wien engagiert sich stark, um der Adventzeit eine besondere Note zu geben. Nicht nur am Spittelberg, auf jedem freien Fleck steht ein Bretterverschlag, aus dem heraus Lebkuchen, Maroni und anderes Naschwerk verkauft werden. Ganz Wien wird in diesen Wochen zum Hütteldorf.
Der Weihnachtsbaum ist erst 200 Jahre alt. Er stand zuerst in einem jüdischen Haushalt in Wien. In der Stadt Salzburg wird das Christkindl „angeschossen“. Der ORF ist stolz auf seine Spendenaktion, für die sich sogar der Bundespräsident engagiert. Die Sternsinger stellen ebenfalls einen Sammelrekord nach dem anderen auf. In St. Stefan in Kärnten werden am Stefanitag die Pferde gesegnet. Steyr hat sich zur Weihnachtsstadt schlechthin erklärt. – Man kommt beim Lesen aus dem Staunen nicht heraus.
Jetzt noch eine Anmerkung als Beleg für die eigene Gescheitheit des Rezensenten: Ja, es stimmt, am 24. Dezember kommen in Oberndorf bei der Kapelle, die an die Entstehung des Lieds „Stille Nacht“ erinnert, tausende Menschen verschiedener Nationalität zusammen. Aber die Böller, die von Maria Bühel herunter krachen, sind kein willkürliches Vorspiel. Sie verweisen auf die Franzosenkriege, von denen der Ort vor 200 Jahren malträtiert worden ist.