asdf
 

Ihr Sauwetter finde ich prachtvoll

ALEXANDER VON VILLERS - BRIEFE / BUCHBESPRECHUNG / BUCHWOCHE

23/11/10 Diplomat und Aussteiger: Der in Russland geborene Sachse Alexander von Villers war Sächsischer Botschafter in Wien. Im Ruhestand kehrte er 1870 der Großstadt den Rücken und bewirtschaftete ein Anwesen in Neulengbach. Der Weltmann wurde Landmann - und abends schrieb er Briefe.

Von Heidemarie Klabacher

„Das war ein Brief zur rechten Zeit, ein echter Landbrief. Nur wer am Land lebt, weiß Briefe zu schätzen. Es kommt eine Stunde im Tag, wo man keine Kartellen in die Keller schütten lässt, wo alle Arbeiten für den Tag eingeleitet sind, wo man Ruhe hat, eine andere Art von Tätigkeit, denn auf dem stillen Land ist alles Tätigkeit; dann werden die Briefe, die am Morgen einliefen, die man schon einmal im Kuvert begrüßte und erreit, mit Muße eröffnet und gelesen.“ Den Seinigen habe er zum zweiten Mal beim Essen, „bei Obst, dem eigenen trefflichen“ gelesen und eine Flasche Rotweit dazu getrunken, schrieb Alexander von Villers am 18. September 1872 „An Warsberg“.

Der Edelbauer Villers scheint an diesem Tag viel Muße gehabt zu haben. Denn einen zweckfreieren Brief kann man sich kaum vorstellen: Er lobt den Wein und das Landleben und berichtet von seiner Einteilung der Menschen: „Mögen andere sie einteilen in Soldaten, Kindermädchen und Zuschauer, ich scheide sie in solche, die am Land leben und in Städter, alias in Menschen und Esel.“

Auch von einer neuen Hauptpassion berichtet er, dem Teppichklopfen: „Wo kann man heute noch solche Schläge austeilen, nicht einmal im Kriege, wo Dysenterie und übler Geruch, standhaft ertragen, dreiviertel Heldentum bilden.“

Constanze und Karlheinz Rossbacher haben Briefe dieses Diplomaten, Gutsbesitzers und Querdenkers herausgegeben. Heute Dienstag (23.11.) präsentieren die beiden Herausgeber den Briefband im Rahmen der Buchwoche im Stefan Zweig Centre auf der Edmundsburg. Bettina Rossbacher wird aus den Briefen Villers´ lesen.

„Er schrieb mit Witz und Unangestrengtheit über sein Vergnügen am Sesshaftsein, an Landbau und Ernte, über Musik, Philosophie, Literatur und Sprache. Er verweigerte sich dem Geist der Gründerzeit und der historistischen Repräsentationskultur“, sagen die Herausgeber über ihren Briefsteller. Sein Credo: „Malen ist eine Kunst, Dichten auch, und gar Musik; die größte Kunst aber ist Leben." 
Tatsächlich habe Villers sich nicht als Autor betrachtet: „Er wollte seine Empfindungen befreundeten Menschen mitteilen uns sie von ihnen mitempfunden wisse,“ schreiben die Herausgeber in ihrer Einleitung.

Immer wieder ist das Briefeschreiben selber - oder auch der jeweils letzte erhaltene Brief - Thema einer neuen Epistel. Nicht im Sinne einer banalen Antwort auf Fakten und Informationen. Vielmehr im Sinne von Reflexion und Abstraktion. Für uns Heutige, die in ihren E-Mails nur zu oft nicht einmal mehr alibihalber „Form“ wahren, und oft schon Antworten losschicken, bevor man das erhaltene Mail noch richtig gelesen hat - für uns ist dieses Buch ein spannendes vielleicht sogar ein wenig mahnendes Dokument.

Und ein Zeit- und Sittenbild außerdem. Witz, Formulierungskunst und Themenvielfalt („besser zu Haus in einer Haselnuß als auf einer Ananas zu Gaste“) machen die die ungewohnte Lektüre zum Vergnügen. „Meine auf gegenseitige Reinlichkeit gegründeten Erziehungsversuche haben ihn tief gekränkt“ (den sechs Wochen alten Bullbeißer-Welpen): „Ich gab ihm den Rat, den Hausrat eines Legationsrats nicht durch seinen Unrat zu vermehren, in dem ich ihn mit der Nase in letzteren stupfte und damit all seine Illusion über häusliches Glück zerstörte. Er glaub nun aber an nichts mehr.“

Alexander von Villers (1812-1880): Briefe eines Unbekannten. In Auswahl herausgegeben und eingeleitet von Constanze und Karlheinz Rossbacher. Verlag Lehner, Wien 2010. 240 Seiten, 19,90 Euro.
Buchpräsentation im Rahmen der Salzburger Buchwoche: Dienstag (23.11.) 19 Uhr im Stefan Zweig Centre.

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014