asdf
 

Wer dazu gehört und wer nicht

BUCHBESPRECHUNG / HERZIG / DIE DRITTE HÄLFTE EINES LEBENS

01/03/22 So ein Dorfleben, das kann recht idyllisch, eine Dorfgemeinschaft aber auch unbarmherzig und gnadenlos sein. Anna Herzig zeigt in ihrem neuen Buch Die dritte Hälfte eines Lebens“ die Abgründe einer Dorfgemeinschaft auf.

Von Verena Resch

Krimmwing, einst prämiert als lebenswerteste Gemeinde Österreichs, ist „ein Dorf, wie jedes andere, das nichts und niemanden vergisst“. Vor allem aber ist es ein Dorf, in dem genau festgelegt ist, wer dazu gehört und wer nicht. Zu welcher Gruppe man gehört, das lassen einen die Bewohner schon deutlich spüren, von denen einige die „Empathie eines Traktors“ haben. Und Außenseiter gibt es so einige in Krimmwing.

Da wäre der „El-Kah-Ih“, Lorenz Karl Ignatius, dem „wenige Tage vor seinem zwölften Geburtstag eine Frau aus der Seele gewachsen ist“.

Die Frauenkleider bestellt er – dem Internet sei dank – per Onlineshopping, so weiß niemand, was in den Paketen ist. Seine weibliche Seite kann er nur heimlich nachts ausleben. Da trägt er MakeUp auf, zieht Strümpfe an und träumt davon, nach Italien abzuhauen und dort frei zu sein. Eine andere, die ebenso wenig dazugehört ist, die Liesl, die mit den drei Brüsten, die in Krimmwings Nachtlokal arbeitet.

Besonders hart trifft es den Steinlachner Seppi der aufgrund seiner dunkleren Hautfarbe schon optisch aus der Reihe tanzt. Dass er es als lediges Kind von Jackson, einem dunkelhäutigen Südafrikaner, und der Steinlachner Rosa nicht leicht hat, liegt auf der Hand. Dazu kommt, dass er der Unbarmherzigkeit seiner Mutter ausgesetzt ist, die durch ihn stets daran erinnert wird, was hinter ihr liegt.

Schwanger von ihrer großen Liebe Jackson, schafft sie es nicht, sich gegen die Dorfgemeinschaft, allen voran ihren Eltern, durchzusetzen, was sie ins Unglück stürzt. Jackson erkennt, was los ist im Dorf – „They are all racists“ – zieht die Reißleine und geht: „Aufwiedersehen, Sir. I love your daughter, but I cannot take this shit anymore.“ Ob sein Sohn Seppi wie er den Absprung schaffen wird, oder sich auf dem Apfelbaum aufknüpfen wird? Das soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden.

In teils nüchterner Sprache, in der dennoch viele Emotionen mitschwingen, schafft es die Autorin Anna Herzig, auf die Handlung auf knapp 130 Seiten komprimiert zu erzählen, ohne dass man als Leser das Gefühl hat, es fehle etwas.

Anna Herzig beschreibt anhand von wenigen Einzelschicksalen treffend und mitfühlend die Dynamiken einer Dorfgemeinschaft, wie es sie in Österreich zuhauf geben könnte und sicherlich auch das eine oder andere Mal so gibt. Ihr Blick gilt dabei vor allem den Abgründen der Menschen. „Alles könnte ich erzählen. Über Krimmwing und die Menschen. Die Übung besteht darin, sich nicht in Nebensätzen zu verirren“, so schreibt Herzig in einer Art Prolog, den sie der Geschichte voranstellt. Diese Übung ist ihr mit Die dritte Hälfte eines Lebens meisterhaft geglückt. 

Anna Herzig und Christian Schacherreiter präsentieren am Mittwoch (2.3.) um 19.30 im Literaturhaus ihre neuen Romane Die dritte Hälfte eines Lebens und Das Liebesleben der Stachelschweine beide 2022 im Otto Müller Verlag erschienen – Moderation Ines Schütz & Manfred Mittermayer - www.literaturhaus-salzburg.at
Bild: Otto Müller Verlag / wildbild

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014