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Das Plagiat des Vollmonds

BUCHBESPRECHUNG / URSULA KRECHEL

28/05/21 „Was ist das Übergangsobjekt zwischen einem Laib Brot und dem Mond?“ Messer? Milchstraße? Gute Frage. Aber. „In einer Pfanne ist kein Übergang zwischen Fisch und Fleisch zu benennen. Ist das Hüftsteak Subjekt oder Objekt und die Pfanne – in jedem Fall spritzt Fett, zischt, das ist kein Argument.“ Argumente spielen eine zentrale Rolle in der Lyrik von Ursula Krechel.

Von Heidemarie Klabacher

Nicht selten erinnern irgendjemandes Gedichte an die Gedichte irgendjemand anderes. Das ist nicht selten ein Kompliment. Bei Ursula Krechel, vielfach ausgezeichnete Romanautorin, Lyrikerin, Dramatikerin, Essayistin, ist das anders. Ihre Gedichte erinnern nicht an die Gedichte niemand anderes. Der Tonfall ist unverwechselbar. Selbst dann, wenn, und das ist in der zeitgenössischen Lyrik selten geworden, ein Gedicht klassische Strophenform aufweist, Endreim paarweise und von einer intimen Situation – Slâfest du, friedel ziere – erzählt.

Nimm vom Weibe eine Scheibe
speise, doch tu ihr nichts zuleide
wenn du dann bei nacktem Leibe
zerrst und ruckst an ihrer Seide
Kein Taglied ist diese Einladung, sondern ein Nachtlied, in dem alle Verletzlichkeit weiblichen Alterns ohne jede Wehleidigkeit in zwei schlichten Volksliedstrophen zusammengefasst ist – und das licht, ich bitt dich, nicht so grell. Eine Gewaltorgie gleich daneben, Endreime verflochten, das Gegenstück Ausladung.

Zwei Gedichte wie zwei Seiten einer Medaille stehen auch unter dem Titel Lachst du, verrätst du dein Gesicht einadner gegenüber. Die Phrase hab keine Angst, du zitterst ja wandert in kunstvoller Dichtkunst durch die Strophen, wieder klassischer Aufbau und moderner Alptraum.

Einige Gedichte im Buch Beileibe und zumute sind zu losen Zyklen zusammengefasst. Unter dem Titel Fahrbereitschaft sind es gar 14, schon im ersten Text wird eine Grenze überschritten, über die zu gehen nicht war über die zu gehen jetzt nicht mehr der richtige Augenblick, vielleicht doch der gebotene... Wenn da scheinbar mitten Fluss der Gedanke in die nächste Strophe springt, sprengt das Bedeutungsgrenzen, wie Deutungsspielräume. Texte Nummer 2 oder zwölf der Fahrbereitschaft könnten, fällt einem ja doch ein Vergleich ein, auch in jeder Jandl-Sammlung stehen. Ein bitterböser Zeitgeistkommentar – Yuppies, Bobos (falls das in Berlin auch so heißt), Spießbürger, Vorgestrige – porträtiert locker aquarelliert, jedes Marderhaar ehern, die Nummer 5.

Gilt Schwerkraft, Visite 1870/7, dem Ersten oder dem Zweiten Weltkrieg. Ein Wort allein „Charleville“ weckt Jahrhunderte an Assoziationen, friedlich sind die Bilder nicht. Nicht gekauft wurde vermutlich das Parfüm.

Anspielungen auf, das Spiel mit Sprache, ja Begriffen der Grammatik – alles das passiert in den Gedichten von Ursula Krechel mit größter Leichtigkeit, quasi im Vorübergehen. Zwischen den Zeilen fällt einem dann ein Aha auf den Kopf. Erzählt wird im Irrealis heißt es in Gier nach Gegenwart. Da bekommen wir zwar keine Karten mehr, aber stehen an wo andere auch anstehen, gestanden haben werden. Irgendwer bleibt immer im Regen stehen, ohne Karten, ohne je dazuzugehören. Die Dichterin findet auch dafür federleichte Worte.

Ursula Krechel: Beileibe und zumute. Gedichte. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2021. 107 Seiten, 20 Euro - jungundjung.at
Bild: Jung und Jung / Gunter Glücklich
Ursula Krechel liest beim Literaturfest Salzburg in der Lyrikmatinee am Sonntag (30.5.) um 11 Uhr im Marionettentheater aus Beileibe und zumute – zusammen mit David Fuchs und Barbara Juch. Begleitet werden sie von der Harfenistin Leonor Maia. Die Matinee, moderiert von Frieda Paris, wird live gestreamt. Der Stream kann am 30. Mai kostenlos bis eine Minute vor Mitternacht nachgesehen werden - www.literaturfest-salzburg.at

 

 

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